München
Schielende Schönheit

Eine Ausstellung in München über Nofretete und die Frage, wie Kunst gemacht wird

08.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr

 

München (DK) „Die Schöne ist gekommen“ – das bedeutet der Name „Neferet-iti“ oder, wie in Deutschland üblich, „Nofretete“. Die Königin vom Nil ist jedoch nicht nach München gereist: Das Kultbild ägyptischer Kunst bleibt Hauptattraktion im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel.

Allerdings ist die Schöne derzeit auch ein wenig in München anwesend in der Ausstellung: „Nofretete – têtê-à-têtê“ (von Angesicht zu Angesicht). Die hintergründige Schau beschäftigt sich mit der Frage, wie Kunst gemacht wird – durch Einflüsse, die der Künstler in sein Werk aufnimmt, durch Museen, die Objekte versichern und ausstellen, und schließlich durch das Publikum, das Kunstwerke auch außerhalb des musealen Raumes wahrnimmt.

Mit dieser ersten Ausstellung, die das Ägyptische Museum München in seinem vor einem Jahr eröffneten Neubau präsentiert, werden die Besucher auf eine Art Suchspiel geschickt. Denn es fällt auf den ersten Blick kaum auf, dass sich neben dem Kopf einer ägyptischen Priester-Statue ein Kopf von Giacometti versteckt, unter den gemalten Mumien-Porträts ein Selbstbildnis von Paula Modersohn-Becker hängt und neben einer ägyptischen Würfelfigur eine Skulptur von Mahmoud Mokhtar die geschlossene Harmonie ägyptischer Kunst nachahmt. Dieser ägyptische Künstler gilt in seiner Heimat als Vater der modernen Bildhauerkunst, studierte unter anderem in Paris. Im Westen ist er allerdings fast unbekannt. Und dass Giacometti und Paula Modersohn-Becker sich mit altägyptischer Kunst auseinandersetzten und inspirieren ließen, wissen auch nur Kenner. Wer aber definiert eigentlich, was Kunst ist und wie viel sie wert ist? Die Ausstellung konfrontiert die Besucher mit Künstlern aus dem arabischen Raum, die hierzulande unbekannt sind, und mischt darunter Objekte von international renommierten Kollegen wie etwa eine Keramik-Vase, bearbeitet von Ai Weiwei. Diese erfährt allein dadurch eine Steigerung der Versicherungssumme, dass sie auf einer zweijährigen Ausstellungs-Tournee gezeigt wird: Der Wert eines Objektes steigt, sobald es im Museum gezeigt wird.

„Wo sind die Mumien“ lautet die Standard-Frage von Besuchern eines Ägyptischen Museums. Ihr begegnet Vik Muniz aus Sao Paolo mit Ironie, indem er einen Tupperware-Sarkophag zeigt, während die Museums-Direktorin Sylvia Schoske auf einer Schautafel ihr „Mumien-Tabu“ erläutert, weil jede Zurschaustellung eines Leichnams im Alten Ägypten gleichbedeutend war mit dessen Verdammnis (ein durchaus ernstgemeinter Kommentar zur aktuellen Ausstellung „Körperwelten“ im Münchner Olympiazentrum).

Dass Nofretete auch für Werbezwecke missbraucht wurde und wird, beweisen Nähmaschinen aus Ägypten mit Aufklebern der Königin und Plakate einer Berliner Zeitung. Kult lässt sich eben auch gut vermarkten. Die Ausstellung ist vielfältig, in manchen Punkten verblüffend und in ihrer Fülle durchaus anstrengend. Sie war bereits in Doha/Katar, Paris und Valencia zu sehen, fügt sich aber in das Münchner Museum ein, als wäre sie dafür geschaffen worden. Kuratiert wurde sie von Sam Bardaouil, gebürtiger Libanese, und Till Fellrath aus München. Humoriger Abschluss der Schau ist eine Nachbildung von Nofretete: Hans-Peter Feldmann hat den Gips-Kopf nicht nur geschminkt, sondern lässt die Königin auch noch schielen. Wer einmal in den Kunst-Kanon eingegangen ist, kann sich eben gegen nichts mehr wehren.

Bis zum 7. September im Museum Ägyptischer Kunst, Gabelsbergerstr. 35, geöffnet dienstags von 10 bis 20 Uhr und mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.