Ingolstadt
Sanftes Grauen, deftiger Humor

Solo für den Tod: Olivia Wendt ist der Boanlkramer im Altstadttheater

30.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:07 Uhr

Keine Freunde, trotz Accounts bei einem sozialen Netzwerk: Olivia Wendt gibt in "Der Boanlkramer sucht sein Paradies" einen sensiblen, beinahe sympathischen Tod ab - wenn, ja wenn da nicht ihre Aufgabe wäre. - Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Gewitterblitze, Donnergrollen und Glockengeläut durchbrechen die tiefschwarze Nacht im Altstadttheater. Die perfekte Ankündigung für den Boanlkramer. Plötzlich steht er da, mit der Sense in der Hand neben den Zuschauertischen auf der Bühne.

Und ringt um Luft, "Hatschi" ist sein erstes Wort, "So a Scheißwetter", sein erster Satz. In dieser Gemengelage zwischen sanftem Grauen und deftigem Humor bewegt sich Olivia Wendt als Boanlkramer in ihrem höchst unterhaltsamen Solo für den Tod.

"Der Boanlkramer sucht sein Paradies" ist das Stück von Falco Blome, der auch Regie führt, überschrieben. Was aber ist das Paradies? Hebamme wäre dem gar nicht so finsteren Gesellen mit den dunklen Augenringen viel lieber, nach dem Motto "S'Kind kimmt - holt's den Boanlkramer". Am allerliebsten aber holt die Boanlkramerin die Atheisten, denn "die schaun imma so blöd". Das tut offenbar auch der ein oder andere Zuschauer im gut besetzten Altstadttheater und muss sich daher fragen lassen: "Was schaust denn so blöd - hast noch nie an Tod g'sehn" Dass der Tod weiblich und noch dazu jung ist, erklärt sich mit der kürzlich im Himmel eingeführten Frauenquote und "dem Chef ganz oben, der gesagt hat, eine Chefin ganz oben kommt nicht infrage - so ist der Job eben an mir hängen geblieben".

Eine Lobby müsste der Tod haben. Hat auch keinen weißen Hubschrauber wie der Papst geschweige denn ein Boanl-Mobil. Muss sich stattdessen mit einem quietschenden Karren begnügen, der nicht einmal geölt wird. Einsam ist der Tod, da hilft nicht einmal ein Account in einem sozialen Netzwerk, den er seit fünf Jahren besitzt, ohne Freunde zu haben, vom Erzengel Michael mal abgesehen, auf den er liebend gern verzichten tät. "Kein Schwein ruft mich an", seufzt sie, "dabei stehe ich mitten in der Kommunikationsgesellschaft, bin voll vernetzt." Nur das Diensthandy, das hat den Geist aufgegeben - hätte Petrus ja auch wissen können, dass alles das Zeitliche segnet, was ihr nahe kommt.

Kein Wunder, dass dem gebannt lauschenden Zuschauer nur so lange richtig wohl ist, solange der Boanl auf Abstand bleibt. Sobald jemand in den Fokus gerät - ob zum Karteln, oder beim Tätscheln übern Kopf - sofort spiegeln sich zwiespältige Gefühle im Gesichtsausdruck. "Der Tod hat im Leben keinen Platz" - wie recht der Boanlkramer hat, auch wenn es für ihn "schlimm, sehr schlimm ist, wenn man als Tod totgeschwiegen wird". Es gibt noch mehr Probleme. Was tun, wenn er selber sterben will? Muss er sich dann selber umbringen? Wobei "am Tod stirbt man net". Der ist nur Begleiter ins Paradies, wo es kein Rauchverbot gibt, denn für die Gesundheit ist es eh schon egal.

Skurril, pfiffig bis witzig, dann wieder berührend sentimental, immer aber höchst lebensnah und ebenso am Menschen dran ist Wendts Boanlkramer, der sein größtes Trauma, das ihm der Brandner Kaspar zugefügt hat, im Kirschgeist ertränkt. Den lässt er sich vom Wirt (Helmut Wamser) bringen. Eine packende Stunde mit einem Stück, das darüber hinaus beschäftigt.

Vorstellungen am 10. November, 8. und 23. Dezember und 12. Januar. Karten unter kontakt@altstadttheater.de oder bei den DK-Geschäftsstellen.