Ingolstadt
Rückpass zu den Wurzeln

Marian Zolneczko kam vor 31 Jahren aus Polen – zur EM besucht er die alte Heimat

11.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:24 Uhr

Hat Karten fürs Viertelfinale: Fußballtrainer Marian Zolneczko ist in Schlesien geboren und lebt seit drei Jahrzehnten in der Region Ingolstadt. Er hofft auf ein Duell Deutschland gegen Polen - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Einen wie ihn nennt man Trainerfuchs. Marian Zolneczko kennt wohl jeden Spieler von der A-Klasse bis zur Bezirksliga und höher. Und auch umgekehrt: Der 62-Jährige ist bekannt wie ein bunter Hund, seit er vor drei Jahrzehnten aus Polen nach Ingolstadt kam. Zur EM fährt er in die alte Heimat.

War es jetzt Nummer sechs? Oder schon Aufstieg Nummer acht? Bei einem so erfolgreichen Trainerleben fällt es Marian Zolneczko auf Anhieb nicht gleich ein. Am Donnerstag ist auf alle Fälle wieder ein Erfolg hinzugekommen. Der 62-Jährige führte seine jungen Hundszeller, die er nun die zweite Saison anführt, zum Relegationssieg und damit in die Kreisklasse. Zolneczko lächelt zufrieden. „Eine tolle Truppe, ein toll geführter Verein.“

Das ist ihm wichtig. In dem Vierteljahrhundert, das er jetzt schon Kicker hin- und herscheucht, waren bis auf eine Station – ein halbes Jahr Türkisch SV – nur langfristige Engagements dabei: Oberhaunstadt, Hepberg, Rockolding, Arnsberg, Dietfurt und dazu als bekannteste Stationen der MTV und noch mehr der ESV. Die Eisenbahner sind vielleicht Zolneczkos Favoriten geblieben, obwohl er seit langer Zeit in Hepberg lebt. Ringsee war die erste Station des Fußballprofis, der 1981 nach Ingolstadt übersiedelte und seiner Heimat Polen den Rücken zukehrte.

Sein Geburtsort Bytom, das früher Beuthen hieß, in Oberschlesien ist unterhöhlt wie ein Schweizer Käse. Ganze Häuserblöcke sinken inzwischen ab, weil hier eines der größten Braunkohlevorkommen Europas ausgebeutet wird. Zolneczko hat aber ein anderes Bild im Kopf, wenn er an früher denkt: „Der Kommunismus hat alles kaputtgemacht! Bis 1980 war alles da, dann gab es ein Jahr nur Essig in den Regalen der Geschäfte. Später gar nichts!“ Er konnte das nicht mehr aushalten, also reiste er aus. „Als Profifußballer hatte ich sehr gute Kontakte!“

Mit über 30 startete die Karriere neu. Früher stürmte Zolneczko in der ersten und zweiten Liga von Polen. In Deutschland dann beim frisch aus der 2. Bundesliga abgestiegenen ESV. „Ich konnte kein Wort Deutsch. Der Piotr Krzyzanowski hat für mich alles übersetzt.“ Der Teamkamerad, dessen Söhne ebenfalls bekannte Fußballer in der Region sind, vereinfachte den Einstieg. Doch einer wie Zolneczko fand sehr schnell selbst Anschluss in der Schanz.

Der Blick zurück blieb für ihn stets wichtig. Das merkt er jetzt umso mehr, als die Fußball-EM seinen Terminkalender bestimmt. Natürlich schaut er sich viele Spiele am Fernseher an. Das Turnier hält aber auch eine Reise in die alte Heimat für ihn parat. „Ich habe zwei Karten für ein Viertelfinale bekommen.“ Zolneczko macht daraus eine Urlaubsreise mit seiner Frau, die ihn entweder nach Warschau oder nach Danzig (21. oder 22. Juni) führen wird. „Je nachdem, wo die Deutschen spielen.“ Die Karten sind an eine Partie der DFB-Elf gekoppelt. Fliegt sie vorher raus, bekommt der Fan sein Geld zurück.

Je nach Konstellation kann es zu einem brisanten Duell kommen. „Ich will Deutschland gegen Polen sehen!“, wünscht sich der Trainer. Wofür schlägt aber dann sein Herz? Ein lang gezogenes „Pffff“ entfährt ihm. „Ich bin jetzt 30 Jahre in Deutschland, meine Eltern sind Deutsche, ich bin Fan von Bayern München. Ich war aber auch 30 Jahre in Polen, bin dort groß geworden – ich weiß es nicht.“ Nach einer längeren Pause kommt dann doch noch: „Hm, ich glaube doch für Polen.“

Um das Traummatch hinzubekommen, müssen die Co-Gastgeber der EM aber heute Abend (20.45 Uhr) in Gruppe A gegen Russland bestehen. Polens 1:1 im Eröffnungsspiel gegen Griechenland hat Zolneczkos Zuversicht wenig gefördert. Auch ein 4:0 in der Vorbereitung über Andorra lässt ihn alles andere als jubilieren. „Andorra? Das ist wie Hundszell!“