Neumarkt
Rosige Zeiten

Landrat Willibald Gailler im Gespräch – Kreis Neumarkt zählt zu den attraktivsten Regionen in Deutschland

29.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Tennisspieler und Gartenfan: Neumarkts Landrat Willibald Gailler ist auch Kreisvorsitzender der Gartenbauer - Foto: Rast

Neumarkt/Freystadt (HK) In den 1950er Jahren zählte die Region um Neumarkt zu den Armenhäusern in Bayern. Jüngst platzierte das Nachrichtenmagazin „Focus“ den Landkreis in Sachen Lebensqualität auf Rang zwei in Deutschland.

Mitgeschrieben an dieser Erfolgsgeschichte hat Willibald Gailler als langjähriger Bürgermeister von Freystadt und stellvertretender Landrat. Bei der Kommunalwahl im März hat der CSU-Politiker die nächste Sprosse der Karriereleiter erklommen. Er wurde mit 59 Prozent zum Landrat gewählt. Vier Monate später, am 11. Juli, feierte er seinen 60. Geburtstag. Während die meisten seiner Altersgenossen der Rente entgegenblicken, verkündet Gailler im Brustton der Überzeugung: „Ich habe als Landrat eine Perspektive auf zwölf Jahre.“ Einen weiteren Wahlerfolg vorausgesetzt, an dem im schwarzen Kreis Neumarkt niemand zweifelt, wäre der Amtsinhaber 71 Jahre alt, wenn er sein Büro im Landratsamt räumt. Doch das Alter schreckt Gailler nicht. Er fühlt sich fit, ist amtierender Tennismeister beim TSV Freystadt, hat sich jüngst erneut gegen Spieler aus allen Altersklassen durchgesetzt. Gibt es denn niemanden, der ihn beim TSV schlagen kann? „Mein Sohn vielleicht“, antwortet der Landrat trocken. „Aber der spielt jetzt in Neumarkt.“

Nach 27 Jahren als Bürgermeister von Freystadt siedelte Gailler zum 1. Mai ins Landratsamt über. Sein Vorgänger Albert Löhner (CSU) war aus Altersgründen nicht mehr angetreten. „Das war ein fliegender Wechsel“, berichtet der neue Chef im Haus und bestreitet jegliche Umstellungsprobleme. Schließlich sei er 18 Jahre Löhners Stellvertreter gewesen, habe das Amt und die Mitarbeiter also gut gekannt. Die Sieben-Tage-Woche war schon für den Bürgermeister Gailler der Normalfall. Und daran wird sich für den Landrat nichts ändern. „Die Arbeit ist mein Leben, ich bin gerne nahe an den Menschen.“ Und was sagt Ehefrau Stilla dazu? „Sie ist das gewohnt“, erwidert Gailler knapp.

In die Wiege gelegt war ihm der Aufstieg bis an die Spitze des Kreises Neumarkt weiß Gott nicht. Er wurde 1954 als drittes Kind einer Bauern- und Wirtsleutefamilie in Sondersfeld geboren. „Der Älteste war der Erbhofbauer, der zweite ging aufs Gymnasium. Für mich als dritten blieb einfach nicht mehr viel übrig“, stellt Gailler frei von jeglichem Selbstmitleid fest.

Als Bub lauschte er bereits den Gästen im Wirtshaus seiner Eltern beim Politisieren. Dort fanden vor der Gebietsreform auch die Sitzungen des Gemeinderats statt. „Meine Leidenschaft für die Kommunalpolitik kommt aus der Jugend“, vermutet Gailler. Doch ehe er seiner Passion auch beruflich nachgehen konnte, hatte das Leben noch einen sinnvollen Umweg parat. Im legendären Jahr 1968 begann er eine Ausbildung bei der Verwaltung von Freystadt. „Damals habe ich mir die grundlegenden Verwaltungskenntnisse angeeignet.“ Im Jahr 1971 schrieb Gailler bereits an den Eingemeindungsverträgen mit, denen auch die Selbstständigkeit seines Heimatdorfes Sondersfeld zum Opfer fiel. „So bin ich in die praktische Politik hineingewachsen.“

Doch auch die theoretischen Grundlagen der Politik interessierten Gailler. Nach der Berufsaufbau- und der Berufsoberschule studierte er Wirtschaftspädagogik und Politikwissenschaften. Er wurde Diplom-Handelslehrer und 1984 in den Stadtrat von Freystadt gewählt. Nur drei Jahre später gelang ihm der Sprung ins Bürgermeisteramt, weil sein Vorgänger aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste. „Ich bin sehr gerne Lehrer gewesen. Aber die Chance, in einem Führungsamt gestalten zu können, war noch reizvoller.“

In den vergangenen Jahrzehnten habe sich Freystadt dank vieler Investitionen zu einer attraktiven Gemeinde entwickelt. „Wir haben Wachstum bei der Bevölkerung, der Wirtschaft und im Kulturbereich“, listet Gailler zufrieden auf.

Parallel dazu ging es mit dem gesamten Kreis Neumarkt rasant bergauf: Vollbeschäftigung, null Verschuldung, ein 110-Millionen-Euro-Haushalt, ökonomische Prosperität, gewaltige Investitionen in Bildung und Medizin sowie die mit 39,5 Punkten niedrigste Kreisumlage in ganz Bayern. „Albert Löhner hat sehr effizient gewirtschaftet.“ Was ist die Ursache für diesen Boom? „Unsere bäuerlichen Wurzeln“, antwortet Gailler. Werte wie Fleiß, Bodenständigkeit, Toleranz und eine hohe Identifikation mit der Heimat würden im Kreis Neumarkt noch etwas zählen. Natürlich profitiere man auch von der geografischen Lage im Dreieck der Wirtschaftsmetropolen Nürnberg, Regensburg und Ingolstadt.

Stolz ist der Landrat vor allem auf das leistungsfähige Klinikum. Während sich andere Kreise in diesem Bereich mit Millionendefiziten plagen, garantieren in Neumarkt 1500 Beschäftigte Hochleistungsmedizin – ohne jährlich neue rote Zahlen zu schreiben. Natürlich habe man für den Umbau der Krankenhauslandschaft einen Preis bezahlen müssen, räumt Gailler ein. Die Häuser in Berching, Breitenbrunn und Freystadt wurden geschlossen. Auch im Parsberger Krankenhaus sei man dank der Einrichtung einer Akutgeriatrie „auf einem vielversprechenden Weg“. Der Landrat will die Einrichtung mit 100 Beschäftigten unbedingt erhalten, aber sie müsse sich wirtschaftlich tragen, betont er.

Weitere Herausforderungen für die kommenden Jahre sind die Verbesserung des Kreisstraßennetzes, vor allem der dreispurige Ausbau der B 299 zwischen Neumarkt und Berching. Im Bildungsbereich stehen der Neubau des Gluck-Gymnasiums, zweier Sonderpädagogischer Förderzentren in Parsberg und Neumarkt sowie die Sanierung des Parsberger Gymnasiums an. Freizeit wird für Willibald Gailler also auch in Zukunft ein karges Gut bleiben.