Ingolstadt
Rosenkrieg im Apfelgarten

Weil er seinen Wohn-Lkw nicht entfernt, muss ein Aussteiger vors Amtsgericht

01.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:42 Uhr

Ingolstadt (DK) Wie aus einer Bagatelle ein ernst zu nehmender Fall für das Gericht werden kann, das erlebte Amtsrichter Michael Fein gestern mit einem ungewöhnlichen Angeklagten. Der Aussteiger beging Hausfriedensbruch, da er seinen Wohn-Lkw nicht vom Grundstück seiner Verflossenen fährt.

Der 53-Jährige hat einen außergewöhnlichen Lebensentwurf und sich in „ein selbst gewähltes Schicksal“ begeben, wie er dem Richter erzählte. Man kennt sich aus früheren Verhandlungen bestens. Einen festen Wohnsitz hat der Aussteiger nicht mehr, da ihm seine Mehrzimmerwohnung zu groß und ein Platz in einer WG zu nervig geworden war. Da zog er lieber in einen umgebauten MAN-Lkw, in dem er noch immer lebt. Das Gefährt steht inzwischen seit knapp einem Jahr auf einem eingezäunten Gelände im Osten Ingolstadts. Der Apfelgarten war seine Station während einer rund zweimonatigen Liasion mit der 50-jährigen Eigentümerin, die ihm das Parken dort erlaubte. Als die Beziehung dann aber im vergangenen Herbst schnell wieder in die Brüche ging und der Aussteiger den Laufpass der Dame erhielt, blieb er trotzdem dort stehen. Auch eine schriftliche Aufforderung mit Ultimatum ließ er letztlich Anfang März verstreichen. Noch heute parkt sein Lkw dort. „In ihrer Verzweiflung“, wie Richter Fein schloss, zeigte die Kurzzeitfreundin den Mann dann an. Die Justizmaschinerie geriet ins Rollen. Wenn er raus soll, dem aber nicht nachkommt, dann sei das ganz einfach Hausfriedensbruch, klärte der Richter auf.

An sich sei das natürlich eher eine Bagatelle. Brenzlig wird es aber, wenn wie im Fall des 53-jährigen Angeklagten eine offene Bewährung besteht. Fünf Eintragungen sind in seiner Sünderkartei vermerkt. Zuletzt immer wieder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Nach DK-Informationen hatten sich Begegnungen mit der Polizei, die ihm amtliche Schreiben mangels postalischer Anschrift persönlich zustellte, hochgeschaukelt und waren eskaliert. Sechs Monate Haft wurden ihm bei einer Verurteilung im Mai 2016 angedroht, sollte er weiter gegen das Gesetz verstoßen.

Beim Rosenkrieg im Apfelgarten blendete er das offenbar komplett aus. Die Verflossene habe eine Hexenjagd gegen ihn betrieben, das Grundstück mit Verbotszetteln vollgehängt, jammerte der Angeklagte, der allen Ernstes auf eine offizielle Kündigung für seinen Stellplatz pochen wollte.

Mit viel Geduld erklärte ihm Richter Fein, dass eine Äußerung wie „raus“ nichts weniger als die formelle Kündigung ist. Der Richter wunderte sich: Wenn es doch alles so schrecklich und unerträglich dort sei, warum der Angeklagte dann nicht einfach das Weite suche. Er habe doch Ausweichquartiere in Aussicht.

Im Roten Gries soll dem Aussteiger tatsächlich ein Stellplatz für seinen Wagen von einem Grundstückseigentümer, der ihn auch in der Vergangenheit immer wieder unterstützt hatte, zugesichert worden sein. Er könnte quasi sofort dort vorfahren. Dann flüchtete sich der Angeklagte aber minutenlang in Ausflüchte, warum das alles so schwer sei: kein Führerschein, keine Zulassung des Lkw, kein TÜV, kein Geld. Und er sei bei verschiedenen Ämtern auf taube Ohren wegen einer Sondergenehmigung gestoßen. Wenn das Gericht ihm hier und jetzt die Genehmigung gebe, er dürfe fahren, würde er sofort das Feld räumen.

Das konnte Richter Fein natürlich nicht. Vielmehr überlegte der tatsächlich kurz, wie er dann in der Urteilsbegründung offenbarte, den Aussteiger und Bewährungsversager einzusperren. Doch weil auch die Staatsanwältin „gerade so noch einmal“ eine Geldstrafe befürwortete, beließ es der Richter bei einer Strafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro, also 900 Euro.

Zum Urteil folgte die Ermahnung, den Lkw jetzt zügig zu entfernen. Denn die Grundstücksbesitzerin könne ihn ja sofort wieder anzeigen. Und dann ist der Aussteiger definitiv vor Gericht fällig.