Risse in der Glasfassade

Kommentar

19.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:47 Uhr

Ein stolzes Geldhaus und sein überhebliches Management im 19. Jahrhundert, die durch eine Reihe von Fehleinschätzungen sowie Ränkespiele in den Abgrund stürzten. Dieses einst von Ken Follett in "Pfeilern der Macht" gezeichnete Bild könnte auch ein deutsches Institut der heutigen Zeit als Vorbild gehabt haben.

Denn auch bei der Deutschen Bank glaubten die Spitzenbanker, nichts könne ihrem Geldhaus etwas anhaben. Da wurde über "Peanuts" schwadroniert, da wurden 25-Prozent-Renditeziele ausgegeben und krumme Dinger gedreht. Staatshilfe in der Krise? Da würde er sich schämen, so der damalige Chef Joseph Ackermann großspurig.

Lange vorbei sind die Zeiten, in denen sich der Platzhirsch der deutschen Geldbranche solche Arroganz leisten konnte. Die Pfeiler der Macht in Mainhatten bröckeln. Sanierer John Cryan hat sich daran gemacht, sie zu stabilisieren. Doch wird ihm das gelingen? Oder wird er die Risse nur mit Mörtel überdecken? Die Aktionäre sind skeptisch, wie sich gestern auf der Hauptversammlung gezeigt hat. Gewiss, Cryan hat die Probleme geerbt. Zum Beispiel etliche Rechtsstreitigkeiten, die in den vergangenen vier Jahren die gigantische Summe von fast 13 Milliarden Euro verschlungen haben. Knapp sieben Milliarden Euro Verlust verbuchte das Institut 2015.

Anshu Jain und Jürgen Fitschen sind - Stichwort "Kulturwandel" - krachend gescheitert. Cryan hat ein schweres Erbe angetreten, Schwierigkeiten gibt es in allen Geschäftsbereichen. Er gibt sich entschlossen, die Probleme anzupacken, die Altlasten zu entsorgen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Streitigkeiten mit der Justiz beizulegen. Eine Strategie, die die Fantasie der Anleger beflügelt, hat er nicht vorgelegt.

Doch genau die braucht er. Ebenso motivierte Mitarbeiter, die nicht permanent Angst vor Personalabbau haben. Und er ist auf Kunden angewiesen, die sich gut aufgehoben fühlen. Viele jedoch haben das Gefühl, den Deutsch-Bankern eher lästig zu sein.