Gerolsbach
Riechend und tastend durch die Natur

Taubblinde, Psychischkranke und Hörgeschädigte erkunden den "Wald mit allen Sinnen"

22.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:45 Uhr

 

Gerolsbach (DK) Der Wald ist grün und die Blätter rascheln im Wind – wer einen Seh- und Hörsinn besitzt, weiß und kennt das. Doch wie gehen Taubblinde durch den Wald? Die Caritas und der Landesverband für Hörgeschädigte organisierten einen Waldspaziergang der besonderen Art.

Frauke Albuszies muss langsamer als sonst sprechen. Normalerweise erklärt die Kräuterpädagogin und Initiatorin des „Waldes mit allen Sinnen“ im Gröbener Forst bei Gerolsbach in hohem Tempo. Doch alles, was sie an diesem Nachmittag schildert, wird simultan übersetzt – in Gebärdensprache, mit Hilfe taktilen Gebärdens und mit Lormen (siehe Infokasten).

Für Taubblinde ist es etwas ganz Besonderes aus ihrer gewohnten Umgebung herauszukommen, sagt Sozialpädagogin Monika Hagn von der Caritas. „Taubblinde sieht man fast nicht auf der Straße, weil sie immer auf Hilfe angewiesen sind“, fügt die Mitorganisatorin des Spaziergangs, Christina Messoudi vom Bayerischen Landesverband für die Wohlfahrt Gehörgeschädigter, kurz BLWG, hinzu.

Langsam bewegt sich die Gruppe Taubblinder, Psychischkranker und Hörgeschädigter durch den Wald. „Wir gehen auf einem Schotterweg, der zwischen hohen Bäumen verläuft. Die Sonne scheint und die Blätter der Bäume rascheln im Wind“, sagt Kräuterpädagogin Frauke Albuszies. Anhand der kühlen Luft, erkennt der Taubblinde Sandor Bela den Schatten, den die Bäume werfen.

Dann stoppt Albuszies: Am Waldrand wächst ein violettfarbenes Kraut. „Das ist eine Ackerkratzdistel. Wenn man will, kann man aus ihr ein Gelée kochen“, sagt die Kräuterpädagogin und hält ganz vorsichtig dem Taubblinden Thomas John aus Pfaffenhofen die farbige Blüte unter die Nase. „Die piekst auch nicht“, sagt Albuszies beruhigend, Johns Assistentin übersetzt und er greift beherzt danach. „Hmmm“, murmelt er.

Frauke Albuszies möchte der Gruppe den Wald zeigen, indem sie vor allem die Sinne anspricht, die Taubblinden zur Verfügung stehen: „Sie können riechen, fühlen und schmecken. Darauf konzentriert sich der Nachmittag.“

An einer weiteren Station verteilt Albuszies Tierfelle. Die Spaziergänger sollen die Unterschiede der Felle erkennen. „Der Fuchs ist ganz weich, etwas fettiger und borstiger ist dagegen das Fell vom Wildschwein“, erklärt sie. Sandor Bela streicht langsam mit seinen Fingern darüber, dann hält er das Fuchsfell an seine linke Wange. „Schön weich“, sagt er zu seiner Übersetzerin. Zu einem richtigen Spaziergang gehört im Anschluss selbstverständlich eine Brotzeit. Und die ist für die Gruppe natürlich etwas Besonderes: Frauke Albuszies hat selbst gemachtes Schwarzbrot mitgebracht. Dazu stellen die Teilnehmer ihre eigene Kräuterbutter her. Aus weißen Schalen nehmen sie die bunten Kräuter und zerkleinern sie. Mit einer breiten Rolle werden die Kräuter eingearbeitet. „Und jetzt können sie auch noch die Kräuter des Walds schmecken“, sagt Frauke Albuszies mit einem Schmunzeln auf den Lippen.