Respekt für den anderen

Kommentar

24.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:18 Uhr

Es ging gleich richtig zur Sache im frisch gewählten Parlament. Dass die 19. Legislaturperiode des Bundestages mit der Ablehnung eines allerersten Antrags der AfD begonnen hat, könnte ein Omen für die nächsten vier Jahre sein. Wie werden die anderen Fraktionen mit der Protestpartei umgehen, die erstmals und gleich als drittstärkste Kraft ins bundesdeutsche Parlament eingezogen ist? Das kindische Gezänk um die Sitzordnung zeigt, wie schwer sie sich noch tun.

Doch sie werden einen Weg finden müssen, welcher der parlamentarischen Demokratie angemessen ist und der es der Alternative für Deutschland versagt, sich permanent als Opfer zu inszenieren. Dass sich eine Mehrheit nicht imstande gesehen hat, den AfD-Mann Albrecht Glaser nach dessen Äußerungen über den Islam zum Vizepräsidenten des Bundestages zu wählen, ist durchaus nachvollziehbar.

Doch war es auch wirklich klug? Es wird nicht ausreichen, allein auf größtmögliche Abgrenzung und Isolation zu setzen, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das hat vor einigen Jahren schon bei der - damals noch deutlich anders aufgestellten - Linkspartei nicht funktionieren wollen. Das deutsche Parlament darf sich letztendlich von einer populistischen Partei nicht die Agenda diktieren lassen und ständig um deren Themen kreisen.

Es gilt, Alexander Gauland, Alice Weidel und all die anderen auf der rechten Seite des Plenarsaals inhaltlich zu stellen. Und dabei zu akzeptieren, dass sie dieselben Pflichten, aber auch dieselben Rechte haben wie alle anderen Abgeordneten auch. Wer die AfD entzaubern will, muss sich mit ihren Inhalten auseinandersetzen. Und auf vielen Politikfeldern macht sie es ihren Gegnern leicht, weil sie meist wenig zu bieten hat.

Doch gestern stand nicht nur die AfD im Mittelpunkt: Es war wohltuend, dass der neue Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nicht nur Respekt und ein offenes Ohr für die Argumente des anderen eingefordert, sondern auch Gelassenheit angemahnt hat. Der Bundestag vertritt das ganze deutsche Volk. Der Umgang, der dort untereinander gepflegt wird, strahlt auch in die Gesellschaft hinein. Und damit hat Schäuble mit Sicherheit nicht nur die AfD-Abgeordneten aufgefordert. Auch Attacken aus den Reihen der Sozialdemokraten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel waren einer konstituierenden Sitzung nicht angemessen. Der Ton dürfte also rauer werden.