München (DK) Beim Stichwort FC Bayern drückt RB Leipzig gerne auf die Bremse - dabei sind die Sachsen den Münchnern schon in manchen Dingen voraus. Das heutige DFB-Pokal-Duell (20.45 Uhr
Auf der Überholspur

Vor Pokalduell: Leipzig ist dem FC Bayern in vielerlei Hinsicht voraus auch wenn RB das nicht zugibt

24.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:18 Uhr

München (DK) Beim Stichwort FC Bayern drückt RB Leipzig gerne auf die Bremse - dabei sind die Sachsen den Münchnern schon in manchen Dingen voraus. Das heutige DFB-Pokal-Duell (20.45 Uhr/Sky und ARD) erfährt nicht nur durch die Bundesliga-Partie drei Tage später eine übergeordnete Bedeutung.

Bei RB Leipzig haben sie hinter vorgehaltener Hand nur geschmunzelt, als Uli Hoeneß in der vergangenen Saison meinte, er müsse mal erklären, warum der Aufsteiger zeitweise vor dem FC Bayern gestanden habe. Die Himmelsstürmer mit dem Bullenlogo auf der Brust würden nämlich "auf der Couch die Beine hochlegen", lästerte der Münchner Meinungsmacher, während sich seine Vielspieler für den deutschen Fußball auf internationaler Bühne abrackern würden. Wiederholt hat das Oberhaupt die These nie mehr. Sie wäre inzwischen auch grundfalsch.

Beide Teams haben derzeit dieselbe Zahl von Pflichtspielen absolviert, den Supercup nicht eingerechnet: neun in der Bundesliga, drei in der Champions League, eine im DFB-Pokal. Nun treffen binnen vier Tagen der sächsische Emporkömmling und der bayerische Branchenprimus zweimal aufeinander: erst heute in Leipzig im DFB-Pokal und dann am Samstag (18.30 Uhr/Sky) in der Bundesliga in München. Beim 5:4-Last-Minute-Sieg des FCB am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison ging es darum, die Machtverhältnisse zu untermauern. Im Oktober gilt es bereits, das Überholmanöver abzuwehren.

Die Indizien sind erdrückend, dass das auch marketingtechnisch höchst professionell errichtete Red-Bull-Gebilde zumindest in Teilbereichen besser arbeitet als das Bayern-Konstrukt. Etwa beim Scouting, der Nachwuchsförderung und Kaderplanung. Angesehene Bundesliga-Manager bejahen einen Leipziger Vorsprung auf diesen Gebieten uneingeschränkt - aber ungern öffentlich. Max Eberl, Sportchef bei Borussia Mönchengladbach, sagte nun im Sky-Fußballtalk: "Leipzig ist für den FC Bayern und Borussia Dortmund ein großer Herausforderer. Sie bekommen alle Spieler gut und frisch auf den Platz. Leipzig kann den Bayern in dieser Saison sehr gefährlich werden." Nur das Wort Wachablösung fiel noch nicht.

Mit den Brause-Millionen konnte der Vizemeister alle Leistungsträger halten und neue holen. Und dass der herausragende Naby Keita 2018 zum FC Liverpool geht, bringt 70 Millionen Euro ein. Noch bei Red Bull Salzburg soll der Guineer zweimal dem Rekordmeister angeboten worden sein, doch die Münchner Bosse glaubten nicht, dass ein herausragender Dampfmacher aus der österreichischen Bundesliga ihnen weiterhilft. Eine fatale Fehleinschätzung.

Und noch ein anderes Beispiel demonstriert eine gewisse Münchner Schlafmützigkeit: Während sich im Sommer Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ausführlich über den von Paris St. Germain ausgelösten Transferwahnsinn beklagte, hatte RB-Sportchef Ralf Rangnick längst dessen überzähliges Sturmtalent Jean-Kevin Augustin gelockt. Für vergleichsweise günstige 13 Millionen Euro. Einen ähnlichen Preis kostete der portugiesische Trickser Bruma. Beide zählen in der Liga zu den interessantesten Unterhaltungskünstlern, die auch den Bayern Knoten in die behäbigen Beine spielen könnten.

23,3 Jahre betrug jüngst gegen Stuttgart das Durchschnittsalter der Startelf - die Anfangsformation der Münchner war in Hamburg fast vier Jahre älter. Nicht nur beim FCB-Starensemble, sondern auch bei der RB-Rasselbande wird nach Kräften rotiert. Timo Werner, Keita und Emil Forsberg wurden beim Arbeitssieg am Samstag ausgewechselt, fünf weitere Stammspieler pausierten. Rangnick hat dem Aufgebot mehr Breite und Tiefe gegeben - das war der erste Plan für diese Spielzeit.

Der gebürtige Schwabe hält als Mastermind die Fäden fester in der Hand als je zuvor, auch wenn der Vorstandsvorsitzende Oliver Mintzlaff gerade sein Profil schärft: "Ich sage sicherlich nicht, dass wir 2025 Bayern als Nummer eins ablösen wollen. Das wäre völliger Populismus." Und der frühere Leichtathlet würde auch nie Rangnick die fußballerischen Grundsatzfragen streitig machen.

Dagegen schien in jüngerer Vergangenheit an der Säbener Straße nicht ganz klar, ob der Vorstandschef Rummenigge oder der Aufsichtsrat Hoeneß die große Richtung vorgeben. Die sportliche Leitungsebene unter den Alphatieren wurde im Spätsommer neu besetzt. Als Sportdirektor erschien überraschend Hasan Salihamidzic, der bekannte, den international gejagten Monegassen Thomas Lemar gar nicht zu kennen. Ist "Brazzo" derjenige, der in einem rasant veränderten Markt eine innovative Transferpolitik einleitet? Zweifel sind erlaubt.

In Leipzig, wo die Strukturen und Entscheidungswege kürzer und klarer sind, wird diese offenkundige Schwäche aber nicht thematisiert. Im Gegenteil. Mintzlaff bleibt dabei: Die Messlatte sei der FCB. "Der FC Bayern ist eine Klasse für sich, mit einem Top-Kader mit zahlreichen Weltklassespielern." Mag alles noch stimmen. Aber unschlagbar ist der Gegner nicht mehr. Erst recht nicht heute für RB Leipzig.