Ingolstadt
Rein in den Technikberuf

Hunderte von Schülerinnen und Schüler informieren sich beim Girls’ und Boys’ Day in Ingolstadt

23.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:23 Uhr

Fehlersuche unterm Auto: Anna Berchermeier (oben links) zeigt den Mädchen bei Audi, was es bei der TÜV-Durchsicht alles zu berücksichtigen gibt. Die Schülerinnen konnten ihr Talent für technische und körperbetonte Berufe, etwa am Schraubstock (unten rechts), unter Beweis stellen. Auch bei der Firma Edag (unten links) und vielen weiteren Unternehmen konnten Buben und Mädchen in Berufe hineinschnuppern. - Foto: Brandl, Edag

Ingolstadt (DK) Mädels an die Schraubstöcke! Das hieß es gestern beim bundesweiten Girls’ und Boys’ Day, an dem sich wieder zahlreiche Ingolstädter Betriebe beteiligten. Hauptziel: Mädchen und Jungen klassische Berufsfelder des jeweils anderen Geschlechts nahe zu bringen und sie mehr für Technik zu begeistern.

Sie ist ein Paradebeispiel dafür, dass der Girls’ Day bei der Berufswahl so manches bewirken kann: Regina Vakula wollte ursprünglich ins kreative Fach wechseln und Tänzerin werden. Die heute 19-jährige Abiturientin nahm vor drei Jahren an dem Aktionstag teil und landete mit ihrer Klasse bei Audi. „Ich hatte vorher kein Interesse an Technik“, gibt sie mit einem Augenzwinkern zu. Das hatte sich nach dem kurzen Aufenthalt bei dem Ingolstädter Autobauer schlagartig geändert. Heute absolviert sie dort eine Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin und studiert in den Semesterferien im Rahmen des Step-Programms, das Audi seinen Auszubildenden anbietet, Mechatronik an der Technischen Hochschule. Die Tanzschuhe wird sie deshalb höchstens in der Freizeit noch anziehen.

Am Donnerstag waren 262 Real- und Mittelschülerinnen beim Premium-Hersteller zu Gast. Sie konnten in die Berufsfelder des Fertigungs-, Zerspannungs- und Werkzeugmechanikers hineinschnuppern und auch verantwortungsvolle Aufgaben bei der Werkfeuerwehr kennenlernen. Konzipiert wurden die Praxiseinheiten von Auszubildenden des Konzerns.

Dass die Auspuffanlage so stabil am Unterboden einer Limousine sitzen muss, dass man an ihr sogar einen leichten Klimmzug andeuten kann, das bewies Anna Berchermeier, Auszubildende im Bordbau, den Schülerinnen. Sie simulierte mit ihnen eine TÜV-Durchsicht und versteckte sogar einen Fehler an dem Wagen, der von den Mädchen gefunden werden musste. Selbst richtig Hand anlegen konnte eine Gruppe beim Reifen wechseln. Ein anderes Team übte an den Schraubstöcken das Feilen von Schlüsselanhängern, die sie am Ende mit nach Hause nehmen durften.

Auch wenn sich nicht auf Anhieb alle Mädchen für diese Arbeit begeistern konnten, waren andere schlichtweg begeistert: „Mir gefällt es sehr gut, man kann hier sägen und schleifen lernen und hat obendrein ein schönes Andenken“, sagte beispielsweise Tina Meyer, die sich als handwerklich geschickt beschrieb. Ihre Lehrerin Anja Uschold ergänzte: „Für Mädchen ist der Tag eine Riesenchance.“ Das sieht man auch bei Audi so, möchte der Konzern doch mit der Teilnahme am Girls’ Day den Anteil von weiblichen Fachkräften stetig erhöhen.

Mit Reggae-Musik berieselt wurden die 20 Teilnehmerinnen einer Gruppe bei der Firma Edag. Nicht etwa, um für ein wenig Entspannung nach einem Einführungsvortrag über Airbag-Technologie zu sorgen. Vielmehr ging es darum, den Mädchen anhand der „musizierenden Karosserie“ plausibel vorzuführen, wie im Akustikraum des Automobilzulieferers das Eigenschwingungsverhalten der Fahrzeugstruktur messtechnisch dargestellt und ausgewertet wird. Üblicherweise werde diese dynamische Strukturanalyse jedoch nicht anhand von Musik vorgenommen, die auf die Karosse umgeleitet wird, sondern mit Fahrbahnschwingungen, erklärte Martin Bachmeier, Ausbilder bei Edag. Das Unternehmen nahm zum elften Mal an dem Aktionstag teil.

„Wir stellen die Berufsbilder des Modellbauers, Kfz-Mechatronikers, des technischen Produktionsdesigners und des Mediengestalters vor“, sagte Ausbildungsleiterin Patricia Halsch. Eingeladen waren Mittel- und Realschülerinnen der fünften bis zehnten Klassen. Die Reaktionen? „Viele sind beispielsweise erstaunt, was ein Modellbauer alles macht“, berichtete Bachmeier. So sei es bei weitem nicht jedem Schüler bewusst, dass Modelle im Maßstab 1:1 angefertigt werden. „Mädchen sollten sich trauen, sich mehr für technische Berufe zu interessieren“, appelliert er an die jungen Menschen. Denn gerade Vorurteile gegenüber einer Werkstattarbeit – etwa, dass man dabei besonders schmutzig werde – hielten viele davon ab, eine derartige Ausbildung zu ergreifen. Ziel bei Edag sei es, eine Quote von 50 Prozent bei der Einstellung weiblicher Auszubildender zu erreichen, so Bachmeier. Im Idealfall sollten die Ausbildungsplätze zur Hälfte mit Mädchen besetzt sein.

Seinen Auftakt hatte der 15. bundesweite Girls’ und Boys’ Day am Rathausplatz genommen, wo sich um acht Uhr morgens rund 160 Schülerinnen und Schüler zusammenfanden. Von hier aus ging es für die jungen Leute, nach der Begrüßung durch OB-Referent Christian Siebendritt, gruppenweise weiter in verschiedene städtische Dienststellen und Einrichtungen, wo sie sich einen Überblick über das Ausbildungsangebot der Stadt machen konnten.

Die Mädchen waren unter anderem bei der Feuerwehr, dem Gartenamt und bei der Müllverbrennungsanlage unterwegs, die Jungen im Klinikum und in Pflegeheimen. Einer Mädchengruppe aus Gymnasiastinnen und Realschülerinnen gewährte Johann Werner, Leiter des Amtes für Informations- und Datenverarbeitung, außerdem interessante Einblicke ins Rechenzentrum der Stadt.