Köln
"Regionalkrimis sind wie literarische Heimatkunde"

Der Kölner Verleger Hans-Josef Emons über den Boom des Genres und sensible Leser

26.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:33 Uhr

Der Eichstätter Richard Auer hat mit „Hausbock“ seinen dritten Regionalkrimi veröffentlich. Ein spannender und unterhaltsamer Roman rund um Jurahäuser, Denkmalschutz und Heimat.

Köln (DK) Regional boomt: Kaum ein Dorf ohne Verbrechen, kaum ein Landstrich ohne Mord, von der Nordsee bis ins Alpenvorland, vom Saarland bis nach Sachsen ermitteln sympathische oder kauzige Kommissare, Verlage und Leser können nicht genug bekommen von den Krimis mit Lokalkolorit. Einer der Pioniere im Verlagsgeschäft rund um Spannung vor der Haustür ist Hans-Josef Emons.

Seit 1984 ist der Gründer des gleichnamigen Verlags Spezialist für Regionalkrimis und regionale Literatur. Mit ihm hat sich unsere Redakteurin Katrin Fehr unterhalten.

 

Früher las man Georges Simenon, Erle Stanley Gardner oder Raymond Chandler. Das Krimiangebot war überschaubar. Inzwischen füllen die Krimis in den Buchhandlungen Regalwände. Wie kommt es zu diesem Boom, auch von deutschen Autoren?

Hans-Josef Emons: Die deutschen Krimis führten lange ein Schattendasein. Alle haben immer in die USA, nach England, nach Italien und Frankreich geschielt. Da gab es auch eine viel größere Leserschaft, mehr Autoren und zugegebenermaßen auch die besseren Krimis. Das hat sich gewandelt. So wie wir nun mehr Restaurants mit Sternen haben, so gibt es auch mehr gute Krimiautoren.

 

Und woher kommt dieser Trend zu Regionalkrimis?

Emons: Ich glaube, dass wir im großen Ganzen eine Rückbesinnung der Menschen auf das haben, was nah liegt, auf das, was uns umgibt. Es ist Sehnsucht nach Heimat, Nähe und Geborgenheit in der schnelllebigen und globalisierten Welt. Man fährt zwar gerne in exotische Länder, aber letztlich sehnen wir uns doch auf das eigene Sofa und in die eigenen vier Wände zurück.

 

Das klingt nach Heimatidylle, klingt ein wenig provinziell . . .

Emons: Ja, das kann sein und ist so. Aber was ist daran schlimm? Letztlich ist alles provinziell. Auch New York, oder Rom. Ich bin oft in Rom, und das ist superprovinziell. Überall ist Provinz.

 

Was macht einen guten Regionalkrimi aus?

Emons: Ein guter Regionalkrimi muss sich, wie der Name schon sagt, mit der Region und dem Ort beschäftigen und etwas über diesen Ort und die Menschen, die dort leben, transportieren. Der Leser muss bestenfalls nach der Lektüre das Gefühl haben, die Gegend besser verstanden zu haben. Etwa der Frage folgend: Was kann einen Bayern dazu bringen, einen norddeutschen Krimi zu lesen und umgekehrt? Das Ergebnis von Leserbefragungen war, dass viele gerne Krimis aus den Orten lesen, in denen sie in Ferien waren, in denen die Tante oder Freunde wohnen.

 

Regionalkrimis sind demnach auch ein bisschen Tourismus fördernde Heimatkunde?

Emons: Ja, wenn sie gut sind.

 

Begeistert den Regionalkrimi-Leser eher die harmlosere Thematik, oder kann man ihm auch grausame Realitäten zumuten?

Emons: Bei Regionalkrimis herrscht eher die sanfte, humorvolle Thematik vor, wenn auch hier und da kombiniert mit weniger gemütlichen Realitäten. Härtere Themen funktionieren eher im Thriller, weniger im Regionalkrimi. Der Thriller schreit ja nach weltumspannenden Verbrechen, ist globaler angelegt. James Bond spielt eben nicht im Rheinland.

 

Ist Region gleich Region, oder gibt es Gegenden, die für einen Regionalkrimi ungeeignet sind?

Emons: Etwas verallgemeinert gesagt, funktionieren literarische Verbrechen mit Regionalbezug auf dem Land besser als in der Stadt. Am Besten ist, wenn der Bürgermeister der Autor ist, das steigert die Identifikation. Das heißt nicht, dass es keine Regionalkrimis aus Berlin, Hamburg oder Köln gibt. Die Leserdichte ist eine andere. In manchen Orten kann man gar eine Haushaltsabdeckung von fast 100 Prozent erreichen.

 

Werden Sie eigentlich überhäuft mit Manuskripten?

Emons: Wir bekommen jeden Tag etwa drei Manuskripte zugeschickt. Wir sind aber nicht so arrogant, nur eines von 1000 zu nehmen. Da sind viele gute dabei. Von 1000 sicher 20. Ich finde es auch sehr schön, wenn die Leute schreiben, und wir verleiten sie auch gerne dazu.

 

Der Markt ist noch nicht gesättigt, die Leser wollen mehr?

Emons: Am Umsatz haben wir noch nichts bemerkt. Und das, obwohl inzwischen auch andere Verlage bei Regionalkrimis eingestiegen sind. Man könnte aber durchaus vermuten, dass der Boom einmal endet. Es gibt ja immer Wellen beim Leserinteresse: Fantasy, Vampire, historische Krimis. Die Regionalwelle ist aber recht konstant. Ich mache das jetzt unverdrossen seit 25 Jahren.

 

Da haben Sie früh aufs richtige Pferd gesetzt.

Emons: Das war eher Zufall. Und es war damals auch noch kein Pferd, sondern ein Pony.