Eichstätt
Regenten wechseln – Cebulla bleibt

Rundgang durch die Galerien der Stadt: "Hereinspaziert" in das Chauvistré-Haus

16.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:10 Uhr

 

Eichstätt (EK) Kunst ist in Eichstätt allgegenwärtig. In qualitätvoller Architektur, in herzöffnenden Freiluft-Schauen und hinter so mancher unscheinbaren Tür: Es gibt einige kleine, aber feine Galerien in der Stadt, bei denen wir in diesen Tagen über die Schwelle treten. „Hereinspaziert!“

Am Chauvistré-Haus hastet wohl jeder Eichstätter beinahe täglich vorbei. Das Gebäude, vom Volksmund so benannt nach dem Buchbinder Albert Chauvistré (1849 bis 1946), der hier mit seiner Familie gelebt und gearbeitet hat und den alten Eichstättern noch lange nach seinem Tod in lebhafter Erinnerung war, liegt als kleiner, geduckter Anbau des ehemaligen Ostentores direkt an der Mündung der Engstelle zwischen Ostenstraße und Leonrodplatz: wahrlich kein Ort, wo man gemütlich vor dem Schaufenster verweilen wollte. Doch der Blick hinein lohnt stets aufs Neue. Denn Christoph Cebulla, der sich hinter der Tür auf Besucher freut, ist nicht nur Buchhändler, sondern auch ein kleiner Galerist. In einem der beiden Räume des winzigen Ladens stehen drei Bücherregale, im anderen hängt die Kunst. Wie's kommt? „Da bin ich irgendwie so hineingerutscht, wie zur Buchhandlung auch.“

Den heute 64-Jährigen hatte es in 1972 von Kulmbach, wo die ursprünglich schlesische Familie eine neue Bleibe gefunden hatte, nach Eichstätt verschlagen: Zum Studieren, er sollte eigentlich Lehrer werden und hat auch das Examen dazu gemacht.

Den Lehrerberuf ergriffen hat er aber nie, „ich hab von meinen Ersparnissen gelebt“, scherzt Cebulla. Der frisch examinierte Ex-Lehrer verkehrte in den 1970er Jahren allerdings bald in der hiesigen Künstler- und Töpferszene: Rudolf Ackermann, Frieder Gegner, Adolf Kraft, Hans Dollinger, Anna Kramer und andere mehr. Er selbst hatte dabei nichts wirklich Handfestes zu tun – das sollte sich ändern.

Denn 1974 schloss Elisabeth Böhm den winzig kleinen Schreibwarenladen im Chauvistré-Haus, sehr günstig nahe beim damaligen humanistischen Gymnasium gelegen, und das kleine Torwärterhäuschen stand leer. Sogar der Abriss stand im Raum: Seinerzeit war in Eichstätt eine Art „Ringstraße“ angedacht, die wohl hier entlang zum Graben hinaufführen sollte, das bischöfliche Seminar hätte dann das Häuschen wegen des Grundstücks an die Stadt abgetreten und gegen eine andere Fläche getauscht. Doch dazu kam es nie, „und so hatte wohl niemand recht Verwendung für das Häuschen“, sagt Cebulla. Bis der damalige Regens des Priesterseminars, Ludwig Mödl, vor dem kleinen Künstlerkreis sinniert hatte: „Da gehört eigentlich eine Buchhandlung rein.“ Die Künstlerfreunde nutzten die Chance auch gleich, um Verkaufsräume für ihre Kunst, vor allem für ihre Töpferwaren, zu schaffen: Und Christoph Cebulla war jetzt Buchhändler und Galerist.

Cebulla verkaufte Bücher und Töpferwaren: „Das lief ziemlich gut“ – bis 1978. Dann bot die Stadt eigene Ausstellungsräume in der ehemaligen Johanniskirche am Domplatz, und die Nachfrage nach den Töpferwaren ging peu a peu zurück, also nahm Cebulla die Kunst aus dem Sortiment und konzentrierte sich auf anspruchsvolle Belletristik („schöne Bücher zum Lesen, nicht zum Studieren“) und zog in die ehemaligen Ausstellungsräume im ersten Stock nun auch privat ein. Das hätte das dauerhafte Ende seiner Galeristen-„Karriere“ sein können – doch es sollte anders kommen.

Die Zukunft des Hauses war ja auch in den 1980er Jahren noch ungewiss, Cebulla blieb genügsamer Mieter des Priesterseminars in einem höchst spartanisch eingerichteten Haus, dessen Ausstattung sich seit Chauvistrés Zeiten kaum verändert hatte, bis das Seminar 1993 für eine umfassendere Modernisierung sorgte und Cebulla es wagte, seinen eigenen Namen aufs Ladenschild zu schreiben: „Ich habe hier schon Bischöfe und Regenten kommen und gehen sehen – ich bin immer noch da“, meint er. Sieben Regenten und vier Bischöfe sind es bisher genau .

Seit 2009 ist der Buchhändler auch wieder Galerist: dank amnesty international. „Damals war China Gastland auf der Frankfurter Buchmesse“, erinnert sich Cebulla. Und er hatte der Eichstätter ai-Gruppe in seinem Schaufenster Raum für ein Protestplakat dazu gegeben – daraus entwickelte sich eine Ausstellung, „und seitdem gibt es wieder durchgehend was zu sehen“. Regionale Künstler haben den Raum schon genutzt, Cebulla selbst hat bereits zwei eigene Fotoausstellungen beigesteuert.

Aktuell und bis 30. September sind Malereien seines Bruders Michael Cebulla zu sehen: „Lebens Abschnitte“ – mit sehr persönlichen und durchaus nachdenklichen Motiven, beinahe eine Art gemaltes Tagebuch, in dem sich auch die düsteren Momente eines Lebens finden. Und die auch Raum geben für Gespräche mit dem Galeristen: über die Kunst und das Leben im Allgemeinen und in der Stadt. Denn Cebulla ist kein „Hiesiger“, arbeitet sich aber mehr und mehr in die Stadtgeschichte ein und könnte auch stundenlang von Albert Chauvistré und dessen Zeit erzählen. Also: „Hereinspaziert!“