Ingolstadt
Reden ist die Lösung

07.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:02 Uhr

Alexandra Senfft in der Stadtbücherei. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) "Schweigen tut weh" – das bewies Alexandra Senfft zuletzt in ihrem Buch über den verhängnisvollen Umgang ihrer Familie mit der NS-Täterschaft von Hans Ludin, Senffts Großvater. "Reden ist die Lösung" könnte nun das Motto ihrer neuen, nicht minder packenden Dokumentation heißen, die in ganz andere Gefilde führt. In "Fremder Feind, so nah" porträtiert Senfft Menschen aus Israel und Palästina: "Feinde", die indes unermüdlich den Dialog miteinander suchen und längst verstanden haben, dass auch der andere Opfer ist, dass man selbst auch zu einer Tätergruppe gehört.

Es ist ein gescheites, persönliches, ausgesprochen informatives Buch, dem man bei seiner Vorstellung in der Ingolstädter Stadtbücherei mehr Publikum gewünscht hätte. War der Raum bei "Schweigen tut weh" im Jahr 2008 noch brechend voll, traf die hochrenommierte Autorin nun gerade mal auf ein versprengtes Häufchen Zuhörer. Die allerdings durften nicht nur eine sensible Erzählerin, sondern eine ausgewiesene Expertin zum Thema erleben: Senfft war Nahostreferentin der Grünen im Bundestag, Uno-Beobachterin in der Westbank und bis 1991 Uno-Pressesprecherin im Gazastreifen. Dort hat sie gelebt, gearbeitet, beobachtet, Verbindungen geknüpft – und schöpft nun aus dieser inneren Kenntnis für ihr Buch. "Ich bin keine Politikerin", sagt sie irgendwann im Lauf der anschließenden engagierten Diskussion, als natürlich die Frage nach der Lösung des Nahost-Konfliktes kommt. Umso besser: Denn Senffts Blick ist tiefer, klarsichtiger, friedensgerichtet, kennt beide Seiten und die eigene dazu.

Ganz privat nähert sie sich ihren Protagonisten (oft sind es Freunde) und lässt sie ihre Sicht der Dinge, ihre Arbeit am Dialog erzählen, ohne zu unterbrechen – nach der Methode des "Story Telling in Conflict" des mittlerweile verstorbenen israelischen Psychologen Dan Bar-On, dessen dreijähriges Seminar sie als Assistentin begleitete. Heraus kommen beeindruckende Porträts außergewöhnlicher Menschen, die trotz eigener Traumata sich für Frieden engagieren. Sei es die israelische Rentnerin Dalia Golomb, die an den Check Points Wache steht, um entwürdigende Behandlungen zu unterbinden, sei es der Palästinenser Khalad Abu Awwad, dessen Bruder in Israel erschossen wurde oder der Israeli Rami Elhanan, der seine Tochter bei einem palästinensischen Selbstmordattentat verlor – Letztere sind heute enge Freunde und aktive Mitglieder der Gruppe trauernder Familien für den Frieden. "Die Modelle für Frieden werden ja längst gelebt", sagt Senfft, und das macht Hoffnung.