Ingolstadt
Hochzeit mit Turbulenzen

07.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:02 Uhr

Dem amourösen Abenteuer ist Graf Almaviva (Tomasz Kaluzny), der Dienstherr Figaros, nicht abgeneigt. Er versucht, unter Ausnutzung seiner Position Susanna (Arantza Ezenarro) zu verführen. - Foto: Pinggera

Ingolstadt (DK) Meldeten in den vergangenen Tagen mit verhaltener Schadenfreude fast alle Zeitungen, Mozarts Musik mache allein durchs Anhören nun doch nicht intelligenter, so ist zumindest eines sicher: Dieser Anspruch wäre dem Salzburger Wunderknaben wohl nie in den Sinn gekommen.

Auch nicht bei "Le Nozze di Figaro", der bekannten Oper in vier Akten von Lorenzo Da Ponte, abgeleitet von Beaumarchais’ Komödie "Der tolle Tag", die das Theater Ulm mit internationaler Besetzung samt Opernchor und dem Philharmonischen Orchester Ulm am Theater Ingolstadt auf die Bühne brachte. Schlicht aber aussagekräftig ist die Bühnengestaltung durch den Nürnberger Manfred Kaderk, der auf wohltuend klare Strukturen setzt, nachdem es im Stück bekanntermaßen genug Verwicklungen gibt. Ebenso einfach aber angemessen sind die Kostüme (Angela C. Schuett). Regisseur Igor Folwill hält sich im Grunde an die Regievorstellungen Da Pontes aus dem Original-Libretto, das genügend Stoff für eine hintergründige Inszenierung bietet und spickt die seine zusätzlich mit komisch-witzigen Details, die über ihre Publikumswirksamkeit hinaus die einzelnen Charaktere passend beleuchten, bisweilen auch gelungen überzeichnen. So wirkte der liebestolle Cherubino, überzeugend gesungen und gespielt von Gillian Crichton (Mezzosopran), auch noch in der Pose der waffenbehängten Freiheitsstatue liebenswert unschuldig im Gegensatz zum Grafen (Tomasz Kaluzny), der – ebenfalls keinem amourösen Abenteuer abgeneigt – berechnend erscheint, dafür aber mit dem Hammer abrutscht und metaphorisch gesehen sich selbst eins auf die Finger gibt. Der polnische Bariton Kaluzny sang und spielte einen hervorragenden Grafen, beherrschte die komödiantischen Zwischentöne auch gesanglich und sein flexibler Bariton gehörte mit Crichtons Mezzo zu den tragenden Stimmen.

Die Nebenrollen – Marcellina (Anita Hartinger), Don Curzio (T. Schön) Barbarina (Melanie Zacharias) Antonio (Joachim Pieczyk) – waren überwiegend mit Sängern des Opernchores Ulm besetzt, die eine ansprechende Leistung zeigten. Bartolo (Johannes Wiedecke, Bass) und Basilio (Alexander Schröder, Tenor) gefielen als alternder Lüstling, beziehungsweise gräflicher Musikmeister. Beiden hätte man allerdings ein etwas prägnanteres Profil gewünscht.

Einen sehr guten Eindruck hinterließen die schwedische Sopranistin Annette Johansson als Gräfin und die Spanierin Arantza Ezenarro (Sopran) als Susanna. Johanssons dramatisch-lyrische Stimme verzauberte besonders im dritten Akt mit der Arie "Dove sono i bei momenti", die Sängerin erhielt zu Recht Szenenapplaus. Die Rolle der Susanna lebte von Ezenarros jugendlich frischer Persönlichkeit und ihrem hellen, strahlenden Sopran, den sie vor allem in der zweiten Hälfte des Abends raumfüllend einzusetzen wusste. Jie Mei, Bariton, der mit ausbalancierter und weicher Stimme einen eleganten aber schauspielerisch eher ausdrucksschwachen Figaro gab, konnte sich stimmlich nicht immer behaupten, was das Orchester unter Dirigent Alexander Drcar durch mehr Aufmerksamkeit hätte verhindern können. Die Musiker boten eine durchwachsene Leistung mit teils hinreißend akzentuierter Begleitung der einzelnen Arien aber auch deutlichen dynamischen Unachtsamkeiten an Stellen, wo Sänger und Orchester für einige Takte auseinander fielen; so leider auch während des fulminanten Schlusschores "Tutti contenti".

Trotzdem gab es im gut besuchten Ingolstädter Theater lang anhaltenden Applaus für eine im Ganzen gelungene Aufführung.