Ingolstadt
Radi, Rosen, Heckenschere

Eine Sonderausstellung im Ingolstädter Bauerngerätemuseum beleuchtet die Kulturgeschichte des Gartens

23.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:52 Uhr

Ingolstadt (DK) Zur Geschichte der Menschheit gehört der Garten – vom Paradies über den Haus- und Nutzgarten hin zu barocken Lustgärten, vom Klostergarten zu kunstvoll angelegten Schloss- und weitläufigen Parklandschaften oder asiatischen Zengärten. „Hast du einen Garten und eine Bibliothek, dann hast du alles, was du brauchst“, beschrieb der römische Staatsmann und Redner Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) die Bedeutung der Gartenkultur.

Die Römer waren es auch, die erste Impulse zum Gartenbau nach Ingolstadt und in die Region brachten. Die Gartenanlage der römischen Villa in Westerhofen mit Terrassen und Wasserbecken legt hiervon Zeugnis ab.

Die Sonderausstellung im Bauerngerätemuseum Hundszell, „Radi, Rosen, Heckenschere. Geschichten vom Ingolstädter Gartenbau“ schlägt nun einen großen Bogen von den Anfängen der Agrikultur – dazu haben die Archäologen Samenfunde und Gefäße einer spätmittelalterlichen Fasslatrine aus Ingolstadt als Exponate beigesteuert – bis zu modernen Gartenträumen und -albträumen. Die hat Dieter Wieland in der BR-Sendung „Grün kaputt. Landschaft und Gärten“ kritisiert, die im Video zu sehen ist. Die teils sarkastischen Kommentare des Dokumentarfilmers haben dazu beigetragen, dass es vor 30 Jahren „ein Umdenken weg von Koniferenzucht und Monokulturen hin zu einheimischer Pflanzenvielfalt in Privatgärten“ gab, sagt der Leiter des Museums, Max Böhm. Er hat die Sonderausstellung zum 100-jährigen Bestehen des Ingolstädter Gartenamtes als große Schau zur Geschichte des Gartenbaus kuratiert.

Die Schau stellt die Wandlungen des uralten Kulturgutes Garten, jenes umfriedeten Teiles Erde zum Anbau von Lebensmitteln in den Mittelpunkt, weniger die Techniken des Gärtnerns. Auch wenn Privatsammler teils kuriose Gartenbaugeräte und Gartenschmuck beigesteuert haben. Der Garten wird als Spiegelbild der Wandlungen menschlichen Lebens erklärt. Von den Siedlungsanfängen an war Ingolstadt eine „Stadt der Gärten“, an der sich dieser Wandel beispielhaft zeigt.

So galten im Mittelalter die 800 Anweisungen für den Betrieb der königlichen Landgüter aus dem „Capitulare de Villis“ von Karl d. Großen – unter anderem waren darin 73 Kräuter und Stauden sowie 16 Obst- und Nussbaumarten vorgeschrieben – auch für das karolingische Kammergut „Ingoldestat“. Mit den Klostergründungen – St. Johann im Gnadenthal und das Franziskanerkloster – hielt neben dem Gemüse- auch der Heilkräuteranbau Einzug in die Gartenkultur. In Klostergärten wurden – ebenso wie später in den Gärten der Reichen, Gebildeten und der Fürstenhöfe – auch nicht heimische Pflanzen wie Tomate, Kartoffel, Sonnenblume oder Tagetes aufgenommen, wurden Züchtungen und Techniken des Gartenbaus vorangetrieben. An der Universität wurden dazu Studien getrieben. Die kunstvollen Abbildungen aus seinem „New Kreuterbuch“ von 1543 weisen auf Leonhart Fuchs, dem Professor für Medizin an der Universität Ingolstadt, der als einer der „Väter der Botanik“ gilt.

Überhaupt birgt die Ausstellung einige einmalige und kostbare Exponate: In der Kräuterecke sind drei Originalblätter eines uncolorierten Nachdrucks des Prachtbandes „Hortus Eystettensis“ zu sehen. Diese wurden zum 100. Geburtstag des Originals von 1613 erstellt und befinden sich im Besitz des Ingolstädter Stadtarchivs. Zu sehen sind auch vier Blätter aus dem „Herbarium“ des Klosters St. Johann im Gnadenthal, dessen Klostergarten ab 1829 auch als Schulgarten diente. Kupferstiche von 1701 des Jesuitenkolleg-Gartens und des Gartens der Anatomie (1723) sowie Originalpläne für die Anlage des Luitpoldparks, für den Bau von Gartenpavillons und Sommerhäusern und alte Fotos erzählen davon, wie Mitte des 19. Jahrhunderts der Garten- zum Landschaftsbau vorangetrieben wurde. So wurde die Errichtung von Parks und Alleen von staatlicher Seite gefordert, um der städtischen Bevölkerung Erholung, Repräsentation und Kommunikation zu bieten.

1913 wurde mit der Einstellung eines Kreisfachberaters für Obst- und Gartenbau das Ingolstädter Gartenamt gegründet, das die Grünanlagen im Festungswall und die Parks erhalten sollte. Dazu kam drei Jahre später die Gärtnerei an der Münchener Straße, die der Bevölkerung auch Hilfe zum Gemüse- und Obstanbau bot. Schmuckstücke hierzu sind zwei originale, filigran verzierte Gesellenbriefe von 1793 und 1776. Aber auch die 100 Jahre alten Wachsmodelle der damals üblichen Obstsorten, von einer Firma im Badischen handbemalt und mit Sand befüllt, um so das Originalgewicht zu erzielen, sollten den nun in Obst- und Gartenbauvereinen oder in den zahlreichen Kleingartenanlagen organisierten Menschen Anschauungsmaterial für ihre Veredelungskunst bieten.

Und heute? „Bedeutet der Garten vor allem Ruhe, Erholung und der Anblick schöner Pflanzen sowie ein gepflegter Rasen“, sagt Max Böhm. Darüber diskutieren kann man auch am 19. Oktober im Anschluss an den Vortrag Dieter Wielands über 30 Jahre „Grün kaputt“.