Hilpoltstein
Quitte und Chili statt Apfel

11. Obstbörse des Landkreises macht aus der Not eine Tugend - Gelungene Premiere in Schwanstetten

13.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:57 Uhr
  −Foto: Kofer

Hilpoltstein/Schwanstetten (HK) "Es war ein Apfeljahr jenseits von gut und böse.

" Damit gibt Landrat Herbert Eckstein, Schirmherr der 11. Obstbörse des Landkreises, schon zur Eröffnung am Sonntagmorgen das Motto aus. Auch wenn Eckstein "Apfelchips als Alternative zu Gummibärchen" anpries, in diesem Jahr wurde daraus nichts. "Was der Frost uns übrig gelassen hat", betitelt der Obst- und Gartenbauverein Schwanstetten seinen Stand in der Gemeindehalle.

Es ist noch jede Menge. Vor allem der Kreativität der vielen Ehrenamtlichen aus zwölf Obst- und Gartenbauvereinen ist das geschuldet. Der OGV Großhöbing hat einfach auf Erdäpfel umgeschwenkt und bietet frisch frittierte Kartoffelchips, der Apfelsaft stammt noch aus dem Vorjahr. Der OGV Heideck hat sich ein Schätzspiel einfallen lassen. Wie schwer ist eine Quitte. Der Sieger erhält den Baum, an dem die Frucht hing. Nur der OGV Roth bietet Apfelküchle an. Die Äpfel stammen aber vom Großmarkt.

"Wir suchen die Vielfaltsmacher", erklärt Reiner Braun, OGV-Kreisvorsitzender in seiner Eröffnungsrede. Weit muss er nicht gehen. Der OGV Obermässing hat auf seinem langen Tisch alles aufgefahren, was man aus Quitte machen kann: Chutney, Schmalz Tee, Saft, Kuchen, Creme, Brot, Konfekt, sogar Kosmetik und Salben, erklärt Petra Neubauer. "Und wenn nichts mehr geht, macht man Likör", assistiert Martina Wurm. Das habe schon ihr Opa immer gesagt. Auch aus Zierquitten kann man noch viel machen. "Das wissen die wenigsten, dass man die auch hernehmen kann", sagt Wurm.

Nebenan stehen Chilis. Vor 20 Jahren habe ihn eine Nachbarin eine Schote probieren lassen, erzählt Butz. "Ich habe einen Liter Milch hinterhergeschüttet, es hat nur gebrannt. " Doch abschreckend wirkte der Test nicht. Seither züchtet Butz Chilischoten. 40 verschiedene Pflanzen hat er in seinem Garten. Zur Obstbörse hat er neben vielen Pflanzen drei verschiedene Chilipasten mitgebracht, von mild bis scharf. Sie werden auf geröstetem Weißbrot serviert. "Die sind nicht so schlimm", ermuntert er skeptische Testesser. Im großen Glas mit der Aufschrift "mild" hat Butz eine halbe Schote der Sorte Rocoto verarbeitetet. "Die brennen nur im Mund", schmunzelt er. Im "scharfen" Glas hat Butz die Hälfte einer kleinen Schote "Bhut Jolokia", Schärfe 10+, verarbeitet. "Die nimmt man auch zur Elefantenabwehr. "

Viel Mühe mit seinem Stand hat sich auch der OGV Hilpoltstein gemacht. Hier dürfen die Kinder ran, die eifrig für ihre Salbeitees, Tütchen mit Blumensamen und Insektenhotels aus alten Dosen und Schilfmatten werben. Alles, was die Kinder am Stand anbieten, haben sie selbst gezogen, nur die Kürbisse für die bunten Blumengestecke sind Spenden. Auf einer Leine haben sie Fotos aufgehängt, die zeigen, was die elfköpfige Kindergruppe das Jahr über macht. Jeden Freitag treffen sich die Kinder und arbeiten eineinhalb Stunden zusammen. "Jedes Kind bewirtschaftet ein eigenes Hochbeet", erzählt Simone Andrack. Sie leitet die Gruppe der Sechs- bis Zehnjährigen an. Entscheiden, was gepflanzt wird, dürfen die Kinder selbst. Für ihren Auftritt auf der Obstbörse haben sie sich sogar eigene Verkaufstaktiken zurechtgelegt. Denn das große rosa Sparschwein aus Pappmaché mit einer Gießkannen-Nase soll sich füllen. Damit soll nächstes Jahr der Ausflug zur Gartenschau nach Ingolstadt finanziert werden.

Immer wieder von neugierigen umlagert ist der Stand von Sensenlehrer Werner Kleemann aus Weißenburg. Er zeigt, wie man richtig mit der Sense mäht und wie man sie dengelt, also richtig schärft. Das zeigt er auch in Kursen, die man bei ihm buchen kann. Hinter ihm hängt ein ganzes Brett voller verschiedener Messer. "Spinnerei", sagt Kleemann. Für das Gras im Garten braucht man nur zwei. Mit der Sense mähen sei meditativ, sagt Kleemann. "Da komme ich wieder auf den Boden. " Außerdem schont es die Insekten und Kleintiere. "Ein Mähroboter ist Gift", sagt Kleemann. Und mit der Sense dauert das Mähen auch nicht lange. Der Europameister hat für 100 Quadratmeter nur 90 Sekunden gebraucht.

"Eine tolle Idee", findet Anita Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz die Idee mit der Sense. Den eigenen Garten mäht sie schon so, "aber alles nur so stümperhaft". Jetzt möchte sie es richtig lernen und Kleemann bietet gleich Kurse für ganze LBV-Ortsgruppen an: "Ich fahr' auch zu euch raus. " Sie werde das im Vorstand vorschlagen, meint Anita Schäffer. Da wird sie sicher auf offene Ohren stoßen, schließlich ist ihr Mann Landesvorsitzender. Der LBV ist selbst mit einem Stand vertreten. Dort erklärt Richard Radle, wie ein naturnaher Garten aussehen sollte, besser, wie er nicht aussehen sollte: "Der größte Fehler ist ein sauberer Garten. " Mann sollte auch mal Laub und Totholz liegen lassen und vor allem einheimische Pflanzen nutzen, wie die Brennnessel. "Daran fressen 20 Falterraupen. "

Viele der Stände sind bereits am Samstag aufgebaut worden, manche OGVs arbeiten seit Wochen an ihrer Präsentation. Das ist auch der Grund, warum die Obstbörse nur alle zwei Jahre stattfindet, verrät Kreisfachberaterin Renate Haberacker, Mitorganisatorin der Börse. "Der Landrat wäre sofort dabei, aber die Ehrenamtlichen schaffen das nicht. " Ursprünglich findet die Obstbörse immer zu geraden Jahreszahlen statt - und zwar in Roth. Doch der Abriss der dortigen Stadthalle hat den Terminkalender durcheinander gebracht. Deshalb findet die Veranstaltung 2019 zum ersten Mal in Schwanstetten statt. "Die Unterstützung durch die Gemeinde ist fantastisch", schwärmt Haberacker.

Und das Ambiente könnte kaum besser sein. Die Gemeindehalle ist groß genug und direkt daneben liegt der Platz der Normandie, auf dem die Aussteller sich im Freien präsentieren können - am Sonntag bei Kaiserwetter. Dank der gelungenen Premiere und mangelnder Alternativen in Roth könnte sich Schwanstetten zum dauerhaften Austragungsort mausern. Und vielleicht gibt es 2021 auch endlich wieder eine gute Apfelernte.

Robert Kofer