Ingolstadt
Melodien-Flickwerk

Estnische Elektronik bei den Frauenkulturtagen

13.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:57 Uhr
Konzert fast ohne Publikum: Maarja Nuut in der Ingolstädter Halle neun. −Foto: knb

Ingolstadt (DK) Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Der Oktober ist eine Frau" gastierte ein Duo aus Estland in der Halle neun in Ingolstadt. Maarja Nuut & Ruum (Letzteres ein Pseudonym des elektronischen Musikers Hendrik Kaljujärv) hatten jedoch einen schweren Stand, da sich inmitten des großen Veranstaltungsraumes einsam eine kleine Zuschauertribüne befand, besetzt mit 20 Personen, die sich für diese Art von experimenteller Musik interessierten.

Es ist selbst in Ingolstadt schon vorgekommen, dass bei so einem kleinen Publikum die Künstler dennoch ihr Bestes geben - doch Maarja Nuut & Ruum hatten offensichtlich nach einer guten Stunde schon keine Lust mehr und haben so die Zuhörer unvermittelt stehengelassen. Die Ankündigung des musikalischen Abends klang sehr vielversprechend, entpuppte sich jedoch als eine mehr oder weniger gleichförmige elektronische Klangwelt. Zudem war das Licht so stark heruntergedimmt, dass das Publikum die Emotionen der Protagonisten kaum wahrnehmen konnte.

Laut Maarja Nuut seien die Esten ein Volk, bei welchem zwei Welten aufeinanderträfen: Zum Einen seien sie total natur- und kulturverliebt, zum anderen spiele sich das Leben zum Großteil in der digitalen Cloud ab. Diese zwei Gegensätze will das Duo in seinen Soundcollagen darstellen. Dies ist ihnen stellenweise wiederum sehr gut gelungen. In manchen Sequenzen fühlten sich die Zuhörer in den tierreichen Wald versetzt, in den Meeresfluten treibend oder im Großstadtdschungel umherirrend.

Maarja Nuut besticht vor allem mit ihrer klaren und kraftvollen Stimme, die sie per Loopmaschine gerne auch mehrstimmig einsetzt. Dazu kommen Klänge von Violine und Keyboard. Hendrik Kaljujärv ist für die elektronische Verwandlung der Melodien zuständig - leider ergeben sich daraus häufig eher verschwommene Muster als klar erkennbare Strukturen, mal wirken die Stücke pulsierend, mal haben sie eher Herzrhythmusstörungen.

So verkommen die mystisch eindringlichen Klangteppiche zu einem melodiösen Flickwerk aus Sounds und Harmonien. Das ist sehr schade, denn Maarja Nuut & Ruum haben wirklich etwas zu sagen: Sie verwenden beispielsweise alte Märchen aus Estland, um daraus musikalische Parabeln für das moderne Dasein zu schaffen. Vielleicht war es einfach weder die geeignete Räumlichkeit noch der geeignete Anlass, mit einem derart experimentellen Konzert an das ohnehin sehr wählerische Ingolstädter Publikum heranzutreten. Maarja Nuut & Ruum hätten auf jeden Fall eine zweite Chance verdient!

Sandra-Isabel Knobloch