Punk im Paradox: 20 Stücke in einer halben Stunde

02.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:56 Uhr

Die Nikoteens bei ihrem Auftritt im Paradox. 1983 veröffentlichte die Ingolstädter Punkband ihre erste Platte. Im Sommer will das Trio ihr drittes Album als LP herausbringen. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Nach 30 Minuten ist alles vorbei. Länger hat der Auftritt der Nikoteens am Donnerstagabend im Paradox nicht gedauert. Muss er auch nicht. Denn in dieser Zeit hat die Ingolstädter Punkband ein komplettes Konzert als Vorgruppe absolviert.

Von einem Lob von wegen Schnelligkeit und Tempo will Gitarrist und Sänger Bep Neubauer aber nichts wissen. "Früher waren wir wirklich schnell. Da haben wir 25, 26 Stücke gespielt – in einer halben Stunde." Das war in den 80er Jahren, als die Gruppe zwei LPs veröffentlichte. "Aber jetzt sind wir halt schon etwas älter", räumt Neubauer ein.

Vielleicht spielt das Trio heute nur noch 20 Songs in einer halben Stunde – schnell, hart, und kompromisslos sind sie immer noch. 25 Jahre nach der Veröffentlichung der ersten LP "Aloah Oehh" (die mit der Punk-Version des Kufsteinlieds) machen die Nikoteens genau da weiter, wo sie Ende der 80er Jahre irgendwann mal aufgehört haben. Die Band steht auf der Bühne, Schlagzeuger Gerold "Mad Butcher" Fleischer zählt kurz ein, und ab geht’s im Viervierteltakt. Brettgitarre, durchgeprügeltes Schlagzeug und ein Gesang, der praktisch nicht zu verstehen ist. Kein Song dauert länger als eineinhalb Minuten, was das Publikum jedes Mal völlig verwirrt. Bis die Leute kapieren, dass sie jetzt klatschen sollten, geht der nächste Song schon ab wie eine Rakete: So muss es sein.

Bei ihrem Konzert im Paradox haben die Nikoteens auch einen kleinen Vorgeschmack auf das gegeben, worauf alle Freunde der gepflegten Unterhaltungsmusik schon lange gewartet haben. Die Band war nämlich im Studio und hat eine neue Platte aufgenommen. Mitte des Jahres soll das Album erscheinen – und zwar auf Vinyl. Aber das ist irgendwie auch schon wieder Punk.

Diese Musikrichtung blickt ja in Großbritannien auf eine mittlerweile über 30-jährige Tradition zurück. Wie sich der Sound der Sex Pistols, der Buzzcoks und The Damned weiterentwickelt hat, zeigten im Paradox auch die Guitar Gangsters. Seit zwei Jahrzehnten ist das Trio in unveränderter Besetzung praktisch ständig auf Tour. Die Briten pflegen die Tradition des melodischen 70er-Jahre-Punk, und sie tun das ziemlich professionell und mit hohem Unterhaltungswert.

Gleiches gilt für TV Smith, Punk-Urgestein der 70er Jahre aus London. Mittlerweile tritt er solo mit Akustikgitarre auf, für einen Punker ja eigentlich völlig abwegig. Aber TV Smith ist dermaßen schräg und abgefahren, dass es schon fast wieder gut ist. Da springt ein dürrer älterer Mann mit grauem Haarkranz und Hinterkopfglatze in hautengen Klamotten auf der Bühne herum und singt davon, dass alles fürchterlich ist. Einfach grauenvoll. Das ganze Leben, alles. "Mit 21 habe ich geglaubt, die Welt ist Sch . . . Heute bin ich 52 und weiß, dass alles Sch . . . ist", lautet für TV Smith das Fazit nach 30 Jahren Punk: "Du musst warten, bis Du tot bist, um Spaß zu haben."

Ganz so lang mochten die Besucher des Paradox dann doch nicht ausharren. Sie blieben einfach da und sahen sich zum Abschluss die Lurkers an, eine der dienstältesten britischen Punkbands, aber quicklebendig. Und die Leute hatten eine Menge Spaß dabei.