Provokant und pointenreich

25.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:33 Uhr

Konspiratives Treffen: Journalist Schneider (Winfried Frey, r.) wird von Bürgermeister Glöckl (Andreas Borcherding) und Praktikantin Tanja (Teresa Rizos) über den Gegenkandidaten aufgeklärt. - Fotos: Hammerl

Neuburg (DK) Skandalträchtig, überzeichnet, zunächst als amüsantes Politkabarett, später zur eigenwilligen Satire mutierend – so präsentiert sich die neueste Eigenproduktion des Neuburger Stadttheaters. Regisseur Winfried Frey bedient mit "Machtlos" vor allem Klischees. Das aber höchst vergnüglich – jedenfalls bis zur Pause.

Sex auf dem Schreibtisch mag Geschmackssache sein, hier aber überwiegt der Witz, wenn Bürgermeister Glöckl (Andreas Borcherding), dilettantisch und treudoof, von seiner berechnenden Praktikantin (ein Luder par excellence: Teresa Rizos) dazu gebracht wird, selbige flachzulegen. Klar, Frey ohne Sex auf der Bühne, das wäre nicht Frey – für diesmal aber Kompliment, diese Art Sex geht locker als Kabarettkunst durch.

Pointenreich erfolgt der medienwirksame Aufmarsch des Ministerpräsidenten Lutz Meertopf (Sepp Reichart), unschwer identifizierbar schon am Namen. Köstlich sind Arbeitseifer und bitterernste Mienen der Sicherheitsbeamten Günther Seidl und Noppo Heine, die zugleich als Gscheit und Gschmackig, Freunde des Bürgermeisters, für dessen krumme Wahlkampftouren zuständig sind. Schon der Name Glöckl verrät, auf wen Frey anspielt. "Da braucht man nicht weit schauen", meint Kulturamtsleiter Dieter Distl, der die Uraufführung ankündigt. Wobei Ähnlichkeiten eher herbeigezogen, denn authentisch wirken.

So korrupt das Gemeindeoberhaupt, so saubermännisch die Gattin Karin Glöckl (Petra Auer beweist Ausstrahlung und Präsenz). Sie hat sich trotz Politikerkarriere des Mannes den Anstand bewahrt und scheint ohnehin die wahre Regentin zu sein, wie Meertopf "ja schon immer gesagt" hat. Bis dahin aber ist noch ein weiter Weg. Da wird sich der Medien bedient, da werden im Internet Schmutzspuren gelegt, das muntere Putzfrauensextett erklärt der eigentlich aufgeklärten Bürgermeistersgattin, warum Datenschutz heutzutage nicht mehr existiert, die Männer gockeln um Praktikantin Rehfehlt, die schwärmerisch umsungene "Schöne Tanja", und im Schlafzimmer der Glöckls werden Werte diskutiert und nackte Tatsachen dezent präsentiert.

Gewürzt mit bekannten Melodien, schwungvoll vom Salonorchester Cassablanka interpretiert, erweist sich Machtlos als kurzweilige und unterhaltsame Revue. Die enthaltene Gesellschaftskritik kommt bestens rüber. Nach der Pause aber drängen sich Liebesleid, psychische Probleme, autonome Prügelszene, Mord, Beerdigung und Kandidatenwechsel in allzu kurze Zeit. Weniger ist mehr, möchte da so mancher Zuschauer dem Autor ins Drehbuch schreiben. Das Spiel mit Klischees – Frey selbst gefällt in der Rolle des aufrechten Lokaljournalisten Pepe Schneider, für den harte, aber faire Berichterstattung selbstverständlich ist – driftet ab, wird unglaubwürdig und verliert dadurch an Substanz.

Glänzende schauspielerische Leistungen, auch stimmlich überzeugend, lassen die Akteure selbst keine Wünsche offen, was das Publikum am Ende mit lang anhaltendem Applaus – vereinzelt sogar Standing Ovations und Bravorufen – belohnt.

Peppig die Choreografie (Julia Christeiner), das stark lokal angehauchte Bühnenbild (Sepp Reichart und Daniela Spenninger) gefällt durch Sparsamkeit und Raffinesse, die Raumaufteilung überzeugt dank kleiner Kniffe, Licht und Schatten werden punktgenau eingesetzt. Frey gelingt es erneut zu polarisieren – Machtlos bietet auf jeden Fall reichlich Gesprächsstoff.