Neumarkt
Protest gegen Preisverfall

Bauern demonstrieren vor Discounter-Filiale in Neumarkt – Überproduktion wegen Krise in Ukraine

18.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:54 Uhr

Protest gegen Massentierhaltung und Preisverfall in Neumarkt: Der stellvertretende BBV-Kreisobmann Michael Gruber (vorne, von links), Kreisobmann Martin Schmid und mehrere Landwirte aus der Region diskutierten mit der Leiterin der Aldi-Filiale in der Nürnberger Straße, die ihren Namen nicht nennen wollte. Auch die Kreisbäuerin Sieglinde Hollweck (rechts) machte bei der Aktion mit - Foto: Meyer

Neumarkt (DK) Gegen den für die Bauern ruinösen Preiskampf der Lebensmittelkonzerne haben gestern Landwirte vor einer Aldi-Filiale in Neumarkt protestiert. Bäuerinnen verteilten am Parkplatz kostenlos Milch und Butter, Joghurt und Sahne mit der Aufschrift „Diese Preise zerstören“.

Roswitha Schuster von der Geschäftsstelle des Bauernverbandes (BBV) hatte die Produkte unmittelbar zuvor gekauft. Die Leiterin der Filiale in der Nürnberger Straße, die sich kurz sehen ließ, aber ihren Namen nicht nannte, nahm den Protest gelassen hin. Lediglich der Riesentraktor mit Plakaten solle wegfahren, weil er die Anlieferung verhindere, lautete die freundliche Aufforderung. Nach einer knappen Stunde war die Aktion vorbei.

Die Aldi-Filiale habe sich der Bauernverband ausgesucht, weil der Discounter den Wettbewerb immer weiter anheize, erklärte der BBV-Kreisobmann Martin Schmid. „Wenn die Preisspirale weiter nach unten geht, dann gibt es bald keine regionalen Erzeuger mehr“, warnte Schmid, der einen Milchbetrieb in Schweinkofen bei Dietfurt betreibt.

Dem Verbraucher gibt er an dieser Entwicklung keine Schuld, die Großkonzerne seien es, die den Molkereien die Preise diktierten. Auslöser des sich zuspitzenden Wettbewerbs unter den wenigen Konzernen sei der Ausfall der Exporte nach Russland. Dadurch sei eine Überproduktion entstanden. Neue Märkte seien bislang nicht gefunden worden, bedauerte Schmid.

„Mit einem Milchpreis von unter 30 Cent pro Liter kann ein Landwirt nicht überleben“, sagte Schmids Stellvertreter Michael Gruber aus Günching, der selbst 60 Kühe im Stall hat. „Vor 30 bis 40 Jahren hatten die Lebensmittel den gleichen Preis wie heute“, betonte Kreisbäuerin Sieglinde Hollweck. Sie nannte Beispiele verschiedener Anbieter: das halbe Pfund Butter für 79 Cent, Joghurt für 19 Cent, Minutensteaks das Kilogramm für 4,99 Euro. „Die Produkte werden verramscht“, bedauerte sie. Damit sinke die Achtung vor den Lebensmitteln. In Deutschland gebe der Durchschnitthaushalt nur rund elf Prozent des Einkommens für Lebensmittel aus.

Der Preisverfall sei nicht nur bei den Milchprodukten zu beobachten, sondern auch bei Schweine- und Rindfleisch, beklagte Schmid. Die Bauern müssten heuer zudem unter der extremen Trockenheit leiden und Futterflächen dadurch zukaufen. Die Ernteerträge lägen deutlich unter denen des Vorjahrs. „Wenn die Konzerne die Preise diktieren, dann sind wir alle die Verlierer“, kritisierte Schmid.

Im Kreis Neumarkt gibt es derzeit 2200 landwirtschaftliche Betriebe. „Wenn die Entwicklung auf dem Preissektor so weiterläuft, müssen viele aufgeben. Es reicht. Das Maß ist voll“, warnte Schmid. „Wir wollen deshalb mit unserer Aktion wachrütteln.“

Aufgrund der fallenden Einkommen ist es für die Landwirte immer schwieriger geworden, in Ställe und Maschinen zu investieren. Schweinehalter Benjamin Beer berichtete, dass er 58 statt 42 Euro für ein Ferkel erlösen müsste, um rentabel wirtschaften zu können. Der Milchpreis, ergänzte Martin Gruber, müsste bei 40 statt 29 Cent pro Liter liegen. Verhandlungen zwischen den Handelskonzernen und dem Bauernverband gibt es nicht. „Die reden nicht mit uns. Die sehen sich weit oben und schauen auf uns bloß herunter“, rügte Schmid.

Von der Politik, speziell der Europäischen Union, erwarteten sich die Landwirte, dass sie sich um die Erschließung neuer Märkte kümmert, da mit der Aufnahme der Lieferungen nach Russland wohl kaum bald zu rechnen sei. „Der Iran wäre ein interessanter Markt“, schlug Schmid vor. „Und wenn jeder der über eine Milliarde Inder jeden Tag nur einen halben Liter Milch trinken würde, dann wären wir alle Probleme los“, ergänzte sein Stellvertreter Michael Gruber.