Produktinformationsblatt - PR-Gag oder sinnvolles Hilfsmittel?

23.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:38 Uhr

Mit Zurückhaltung reagieren Filialbanken und Onlinebanken auf den Schritt der Direktbank ING-Diba, für fast alle von ihr vertriebenen Produkte den Aignerschen Beipackzettel anzubieten.

Bei der Frage, welche Banken den Beipackzettel sinnvollerweise einsetzen sollten, verweisen kurioserweise die Filialbanken auf die Direktbanken, die Direktbanken wiederum auf die Filialbanken. Das hat eine stichprobenartige Umfrage von biallo.de bei großen Filial- und Onlinebanken ergeben. Das Produktinformationsblatt, so der offizielle Name des Beipackzettels, ist derzeit gesetzlich nicht verpflichtend. ING-Diba hatte in diesem Monat auf freiwilliger Basis begonnen, für vorerst 22 Produkte den Beipackzettel anzubieten.

ING-Diba wird wohl auf absehbare Zeit allein bleiben: Von den von biallo.de befragten Online-Brokern plant vorerst kein anderer Anbieter die Einführung des Beipackzettels. Wir haben unsere Anstrengungen, den Wünschen des Verbraucherschutzministeriums nachzukommen, in den letzten Monaten stärker in die Einführung der Honorarberatung gesteckt, sagt zum Beispiel Cortal-Consors-Sprecher Dirk Althoff. Sein Institut testet derzeit mit ausgewählten Kunden, ob sie sich für telefonische Anlageberatung gegen Honorar erwärmen können.Auf unserer Website gibt es bereits ausführliche Informationen zu den einzelnen Produkten - von der Produktbeschreibung über Risiken bis hin zu den Kosten, sagt DAB-Sprecher Jürgen Eikenbusch. Ähnliches ist auch von Cortal Consors, der Comdirect und dem Sparkassen Broker unisono zu hören. Letzterer kann in der Einführung des Beipackzettels für seine Kunden keinen Mehrwert erkennen. Die Inhalte des Beipackzettels sind mehrheitlich allgemeiner Natur. Bei einem Online-Brokerage-Kunden, der seine Anlageentscheidungen auf Basis seines eigenen umfangreichen Wissens trifft, sind diese Basiskenntnisse voraussetzbar, sagt S-Broker-Sprecher Dennis Vollmer. Manch anderer Broker verweist hinter vorgehaltener Hand auch darauf, dass sich in den Produktinformationsblättern auch viele Plattitüden fänden; es sei daher fraglich, ob Kunden auf dieser Basis wirklich Chancen und Risiken eines Investments beurteilen könnten.

Für Direktbanken durchaus sinnvoll

Direktbanken wie der Sparkassenbroker betonen aber, dass für beratende Banken der Beipackzettel durchaus sinnvoll sein kann. Beratungskunden könnten aus dem Inhalt des von Frau Minister Aigner vorgeschlagenen Beipackzettels einen Nutzen ziehen. Selbstentscheidende Kunden informieren sich dagegen aus einem detaillierten und umfangreicheren Angebot und verfügen insgesamt über weitaus größere Finanzkenntnisse, sagt Dennis Vollmer vom Sparkassenbroker.Filialbanken - individuelle Beratung nicht ersetzbar

Die Filialbanken beurteilen diesen Punkt hingegen vollkommen entgegengesetzt: Bei Onlinebanken, die keine persönliche Beratung offerieren, bestehe höherer Bedarf, ihre Kunden zu informieren als bei Filialbanken mit klassischer Anlageberatung, meint ein Sprecher der Deutschen Bank. Der Beipackzettel allein könne eine qualitativ hochwertige Beratung nicht ersetzen und reiche für eine fundierte Anlageentscheidung nicht aus, sagen zahlreiche Filialbanken unisono. Die Deutsche Bank biete für eine dreistellige Anzahl an Produkten, für die sie aktiv Beratung anbietet, ohnehin ausführliches Informationsmaterial an, das alle Punkte des Beipackzettels erfülle, aber deutlich ausführlicher sei.

Ähnliches ist von der Hypovereinsbank zu hören: Wir bieten die grundsätzlichen Produktinformationen über die wesentlichen Risiken oder auch Kosten in unseren Medien schon seit Längerem an. Je nach Produkttyp ergänzen wir diese um wichtige Informationen, so ein Sprecher, deshalb bevorzugen wir individuelle Informationsangebote, die auch zu den entsprechenden Produkten passen."

Entscheidend ist es nach Auffassung der befragten Filialbanken daher vor allem, die Beratungsqualität zu verbessern. Die Produktinformation ist nur ein Baustein für guten Service am Kunden. Viel wichtiger ist es, die Bedürfnisse des Kunden zu erkennen und gemeinsam mit ihm sein Chance-/Risikoprofil festzulegen, sagt eine Sprecherin der Commerzbank. Sie verweist darauf, dass jedes Produkt mit Blick auf die Situation des jeweiligen Kunden betrachtet werden muss. Gerade bei komplexeren Anlage- und Vorsorgethemen halten wir daher die persönliche Beratung für sinnvoll und bieten dies unseren Kunden auch aktiv an.

Postbank will auch Produktinformationen aushändigen

Manche der befragten Institute planen auch weitere Neuerungen, um ihre Kunden besser zu informieren. Die Postbank möchte künftig ihren Kunden zusätzlich zum Beratungsprotokoll eine Produktinformation zu den ausgesprochenen Anlageempfehlungen aushändigen, welche die wesentlichen Produkteigenschaften noch einmal zusammenfasst. Und die Citibank prüft gegenwärtig unter anderem die Umsetzung eines neuen Fonds-Datenblattes und will dabei noch detaillierter Risiken und Chancen darstellen. Dabei beziehen wir auch die Anforderungen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz mit ein, so Sprecher Ingo Stader. Außerdem erwägt die Bank, die derzeit sehr bemüht ist, die Lehman-Scharte wieder auszuwetzen, Produkte mit Hilfe einer Ampel zu kennzeichnen und arbeitet dafür mit verbrauchernahen Institutionen zusammen.

Dass das keine triviale Aufgabe ist, zeigt das Gerangel um den im Sommer erschienenen Ampelcheck Geldanlage der Verbraucherzentrale Hamburg. Er war heftig umstritten, zwischenzeitlich sogar gerichtlich verboten, kann jetzt aber wieder verteilt werden.