Greding/Thalmässing
Praktiker versus EU-Parlamentarier

Boom des Sojaanbaus in Gefahr - Bauern befürchten Zurückdrehen des Rads wegen neuer Vorschriften

17.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr
"Der Soja steht super": Landwirt Klaus Schneider (Mitte) aus Kraftsbuch hat auf diesem Acker bei Hausen zum ersten Mal Soja angebaut. Er selbst sowie der Soja-Weiterverarbeiter Werner Bernreuther aus Landersdorf (rechts) und BBV-Kreisobmann Thomas Schmidt sind von den Vorzügen dieser Eiweißpflanze überzeugt. Weshalb sie auf eine neue EU-Verordnung schimpfen. −Foto: Luff

Greding/Thalmässing (HK) Es hätte so schön sein können: Bauern aus der Region produzieren und verwerten selbst angebautes Soja in der Region. Und minimieren dadurch den Import aus Südamerika. Doch kaum sind die Voraussetzungen geschaffen, grätscht eine neue Verordnung dazwischen.

Das EU-Parlament hat ein Machtwort gesprochen: Es stimmte für den Vorschlag der EU-Kommission, Pflanzenschutzmittel bei Eiweißpflanzen auf ökologischen Vorrangflächen zu verbieten. Werden diese Mittel dennoch eingesetzt, fallen die Flächen aus dem sogenannten Greening heraus. Was technokratisch klingt, hat für den Bauern handfeste Konsequenzen im Geldbeutel. Und das wirke sich über kurz oder lang auch auf die Vielfalt auf den Äckern aus, fürchtet Thomas Schmidt aus Kraftsbuch, der Rother Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV): "Die Anbauflächen gehen wieder zurück."

Letztlich beeinflusst diese Entwicklung auch die Qualität des Fleisches, das auf den Tellern landet. Denn Eiweißfutter gehört zu dem Mix, den Schweine und Kühe zu fressen bekommen. In Deutschland wird aber nur ein Prozent der benötigten Menge selbst produziert. Weil es billig ist, besteht der überwiegende Anteil des Eiweißfutters aus Sojaschrot, den europäische Bauern aus Brasilien importieren. "Über 95 Prozent sind dort genmanipuliert", weiß Klaus Schneider, der in Kraftsbuch eine Schweinemast betreibt. "Weltweit sind es immer noch über 80 Prozent."

Schneider will da nicht mitmachen. Deshalb hat er heuer zum ersten Mal selbst Soja angebaut, auf einem 4,6 Hektar großen Acker, den er bei Hausen gepachtet hat. Mit großem Erfolg: Die Pflanzen sind jetzt erntereif, fast vier Tonnen Ertrag kann er erwarten - normal sind bei einer solchen Fläche etwa 2,5 Tonnen. Stolz blickt Schneider auf sein Feld. Zu Recht, wie Landwirtskollege Werner Bernreuther aus Landersdorf findet: "Der Soja steht super."

Die beiden zählen zu den Vorreitern beim Sojaanbau im südlichen Landkreis, wenngleich der ohnehin ein Stück weit aus dem früheren Schattendasein getreten ist: Auf etwa 80 Hektar im gesamten Landkreis schätzt Schmidt die Anbaufläche. Die Leguminosen, zu denen auch der Soja gehört, machen ihm zufolgen heute 467 Hektar aus; vor drei Jahren waren es noch 202. "Der Leguminosenanbau boomt", sagt Schmidt. Vor allem die Greening-Förderung habe hier viel gebracht, ergänzt Bernreuther, plötzlich seien das Experimentieren und neue Züchtungen interessant geworden, "vor zehn Jahren gab es gar keine Sorten für den Anbau in unserer Region".

Zu den Leguminosen - zu deutsch Hülsenfrüchtler - zählt der Soja ebenso wie Erbsen, Ackerbohnen oder Lupinen. Ihnen ist gemein, dass sie nicht nur eiweißreich sind, sondern auch keine Düngung benötigen. Sie bilden nämlich den Stickstoff, den sie brauchen selbst durch eine Symbiose mit Bakterien. Laut Thomas Schmidt verzeichnet man bei diesen Pflanzen jedoch "starke Ertragsschwankungen". Ihr Anbau lohne sich deshalb vor allem dann, wenn er gefördert wird. Das geschieht zum einen durch das Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) des Freistaats Bayern im Rahmen der mehrgliedrigen Fruchtfolge. Dabei lege der Landwirt den Ablauf quasi für fünf Jahre fest. Zum anderen durch das Greening-Programm der EU. Das neuerdings bei Eiweißfutter Pflanzenschutzmittel verbietet. Ohne ihren Einsatz aber sei der Anbau kaum möglich, der mechanische Kampf gegen Gräser zu aufwendig.

Als Milchbauer kann Schmidt auf Kleegras ausweichen, Schweinehalter Schneider ist das nicht möglich. "Das ist kontraproduktiv", schimpft er gegen die EU-Entscheidung, "die Entwicklung wird abgewürgt." Dabei kommt das Mittel lediglich ein Jahr später zum Einsatz, dafür umso stärker, wie Thomas Schmidt erklärt. Weizen sei nämlich der ideale Nachfolger für die Zwischenfrucht Soja; baut man im folgenden Jahr Weizen an - wie bei der mehrgliedrigen Fruchtfolge vorgesehen - zählt der Acker ohnehin nicht mehr zum Greening, der Bauer müsse aber weitaus mehr Pflanzenschutz verwenden. Der dann ja wieder erlaubt sei. "Die haben mal wieder nicht mit den Praktikern gesprochen", schimpft er auf Europas Politiker. Es sei um die scheinbar leichte Frage gegangen: Pestizide ja oder nein? "Dabei ist beim Soja sowieso kaum etwas zugelassen."

Die Forderung von Theoretikern nach dem Verzicht auf Unkrautvernichtungsmittel regt Thomas Schmidt auf. Er frage diejenigen, die sich dafür aussprächen gerne, ob sie ein Elektroauto besäßen. "Nein, weil es teuer ist." Genauso gebe es in der Landwirtschaft Gründe, manche Wege nicht zu beschreiten. Weil sie teuer sind, der dann höhere Preis am Markt aber nicht zu erzielen sei. Schon komme Importware auf den Teller, die wiederum auf mehr als zweifelhafte Art produziert worden sei.

"Ich will gentechnikfreie Ware für meine Schweine", beharrt Schneider. Er werde sich deshalb nicht vom Sojaanbau abbringen lassen. Umso mehr, weil eine Folge davon sei, dass er ohne Einsatz von Antibiotika bei seinen Schweinen auskomme. Er habe eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. "Da steht nicht das Finanzielle im Vordergrund, ich mache es, weil es ein hochwertiges Futter ist."

Der Sojaanbau sei auch mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln "gelebter Umwelt- und Tierschutz", ergänzt Bernreuther, "das muss die Politik sehen". Denn in Brasilien werde der Regenwald gerodet, um Flächen für den Sojaanbau zu gewinnen. Darüber hinaus seien beim heimischen Anbau kurze Vertriebswege gesichert. Der Sojaschrot aus Lateinamerika sei quasi ein Abfallprodukt der Ölgewinnung, es werde alles herausgepresst; damit das besser klappt, würden sogar Lösungsmittel eingesetzt. Beim heimischen Soja, den er jetzt auch in eigener Anlage verarbeitet (siehe eigenen Bericht) , sei das gänzlich anders. Keine Chemie, der Schrot gilt als Halbfettware und sei nach dem Toasten nur drei bis vier Monate haltbar. "Dann wird das Öl ranzig." Lange Vertriebswege sind damit ausgeschlossen. Und gesund ist das heimische Produkt allemal, findet Schneider. Er hat seinen Sojaschrot schon selbst mit Milch gegessen. "Als Müsli - das schmeckt."