Pilotprojekt: "Abenteuer Berufsausbildung"

26.09.2008 | Stand 03.12.2020, 5:34 Uhr

Symbolträchtiger Start: Die angehenden Maschinen- und Anlagenführer ließen Luftballons mit ihren ausformulierten Hoffnungen und Wünschen in den Himmel steigen. Natürlich gibt es dabei auch etwas zu gewinnen. Wessen Ballon am weitesten fliegt, bekommt einen Preis. - Foto: baj

Eichstätt (EK) Er gehört zum Standardrepertoire jeder Schulabschlussfeier, der Satz vom "Lebenslangen Lernen". Das Wort vom "Fachkräftemangel" – eine Binsenweisheit. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen häufig auseinander. Nun hat Osram in Eichstätt ein vorbildliches Projekt in Angriff genommen.

Insgesamt 20 angelernte Mitarbeiter bekommen die Chance, innerhalb von eineinhalb Jahren eine Ausbildung zum Facharbeiter, genauer gesagt zum Maschinen- und Anlagenführer (IHK) zu absolvieren. Für Osram ist die Weiterqualifikation ein Pilotprojekt, und die Bundesagentur für Arbeit, die das Ganze fördert, erhofft sich eine Signalwirkung für die gesamte Region.

Wie Projektleiter Dietmar Strauß bei einer Pressekonferenz am Freitag erläuterte, keimte die Idee bereits im Jahr 2007. Die Sozialpädagogin Marina Fritzler aus Nürnberg fragte an, ob sie bei Osram ihre Diplomarbeit schreiben könnte. Es ging um eine empirische Untersuchung über Qualifizierungsmaßnahmen aus der Sicht der Arbeitnehmer. Damit war der Anstoß für das Projekt gegeben. Fritzler hat das Projekt übrigens die ganze Zeit begleitet.

Intensive Vorbereitung

Es folgte eine Vorbereitungsphase, denn Osram musste unter anderem einen Bildungsträger suchen und fand ihn im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft. Auch die Finanzierung musste gesichert werden. Hier griff die Bundesagentur für Arbeit über das "Sonderprogramm Wegebau" ein, das sich mit der Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen" befasst, wie Stephan Knitl-König von der Agentur erläuterte. Einen weiteren erheblichen Kostenbeitrag leistet das Unternehmen selbst, und in geringem Umfang wird auch der einzelne "Schüler" zur Kasse gebeten.

Insgesamt meldeten sich 40 Interessenten, von denen 20 übrigblieben. Sie haben ihre Ausbildung Ende Juli begonnen. Ihnen zollte Werksleiter Hartmut Froscher höchste Anerkennung. "Es liegt eine lange Zeit vor ihnen und eine lange Durststrecke, aber wir werden Sie unterstützen", macht er am Freitag Mut. Hartmuth Janssen, der Ausbildungsleiter, zollte allen Teilnehmern Respekt, und sprach von einem "Abenteuer" – sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Firma, die hier Neuland betrete.

Von den "Azubis" wird einiges verlangt, denn ihre Ausbildung läuft neben der normalen Arbeit her. Es gibt aber Kompromisse in der Schicht, wenn am nächsten Tag "Schule" ist. Die Grundausbildung umfasst 60 Stunden; insgesamt sind 320 Stunden Praxis vorgesehen. Dieser Teil findet im Osram-Werk statt. Theoretischen Unterricht gibt es an vier Stunden pro Woche, der in angemieteten Räumen in unmittelbarer Umgebung des Unternehmens abgehalten wird. Das Programm ist natürlich vorgegeben durch die Ausbildungsordnung. Die Prüfung zum Facharbeiter wird die IHK vornehmen, denn der Abschluss ist allgemein anerkannt.

Deshalb sprach Dietmar Strauß von einem dreifachen Nutzen: Für die Mitarbeiter, die sich qualifizieren und damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, für die Firma, die für die Bedienung ihrer hochkomplexen Anlagen auf fähige und leistungswillige Mitarbeiter zurückgreifen kann, und für die Region, die über gut ausgebildetes Fachpersonal verfügt. Auch der Betriebsrat steht hinter diesem Pilotprojekt. Hubert Roßkopf lobte das Engagement und die hohe Motivation der Kollegen und sicherte volle Unterstützung zu.

Die Hauptpersonen sehen optimistisch in die Zukunft. Viele von ihnen sind Frauen, und der ein oder andere hat auch schon angegraute Haare. Zum Teil sind sie schon Jahre lang bei Osram. Sie alle wollen die Chance, die sich ihnen bietet, nutzen. Am Freitag nahmen sie, wie ABC-Schützen, Schultüten in Empfang, die Marina Fritzler gebastelt und mit verschiedenen Tee-Sorten ("Zur Beruhigung, aber auch zur Stärkung") gefüllt. Zum Schluss schrieben die "Azubis" einen Wunsch auf eine Karte, banden sie an einen Luftballon und ließen ihn, ganz symbolträchtig, in den Himmel steigen.