Paul Link:"Mit Euphorie allein lässt sich kein Spiel gewinnen"

09.08.2006 | Stand 03.12.2020, 7:38 Uhr

Hilpoltstein (HK) Wie groß das Abenteuer tatsächlich war, auf das er sich da eingelassen hatte, erkannte auch Paul Link erst am Ende der ersten Saison mit der Hilpoltsteiner Tischtennisabteilung in der 2. Bundesliga Süd. "Letztes Jahr sind wir hier gesessen und haben von einem gesicherten Mittelfeld geträumt", sagte der TV-Trainer bei der gestrigen Pressekonferenz zum Saisonstart. Aber nach dem glücklichen Klassenverbleib mit nur fünf Punkten geht Link mit seinen Schützlingen schlauer und weitaus weniger naiv in die zweite Zweitliga-Saison: "Unser einziges Ziel ist der Klassen?erhalt. Größere Ziele können wir uns nicht leisten."

Dabei leistet sich die Tischtennisabteilung des TV Hilpoltstein inzwischen eine Mannschaft, die vor wenigen Jahren noch völlig utopisch erschien. So bekamen die beiden bisherigen Spitzenspieler aus Tschechien, Martin Hanak und David Marek, in der Sommerpause sogar noch eine neue Nummer 1 vorgesetzt: Shen Chi-Ming, ein 18-jähriges Spitzentalent aus Taiwan (siehe unten). Das Hilpoltsteiner Eigengewächs Felix Bindhammer rutscht damit auf den vierten Rang, gefolgt vom hinteren Paarkreuz mit TV-Kapitän Alexander Möst aus Fürth und Jochen Sand aus Herrieden, der aber heuer wegen seiner Auslandssemester in Chile und Portugal wohl kaum zum Einsatz kommt.

Fitnesstrainer und Spielerrotation

TV-Trainer Link, ehemals deutscher Mannschaftsmeister mit dem ATSV Saarbrücken (1984), führt deshalb das Rotationsprinzip bei den Hilpoltsteiner Tischtennisspielern ein. "Wir haben die Anzahl der Einsätze schon grob festgelegt." Als feste Größen der ersten Herrenmannschaft gelten deshalb auch die Spieler auf den Positionen sieben und acht: Michael Ziegler aus Lauf und Michael Wieger, die zweite Verstärkung für den TV Hilpoltstein zur neuen Saison. Der 25-jährige Zeitsoldat und Sportwissenschaftler war zuletzt der beste deutsche Spieler in der bayerischen Oberliga und schaffte mit der SpVgg Erdweg den Regionalliga-Aufstieg.

Nach seiner Versetzung an den Rother Bundeswehr-Standort wird Wieger, der inzwischen auch als Fitnesstrainer des Bayerischen Tischtennis-Verbandes aktiv ist, sowohl für die erste als auch für die zweite Hilpoltsteiner Herrenmannschaft in der Bayernliga Nord spielen. Außerdem kümmert er sich ab sofort um das Konditionstraining bei seinem neuen Verein – zur Freude seines Trainers: "Die große Lehre der vergangenen Saison war, dass wir mehr im physischen Bereich arbeiten müssen. Das sind die nötigen kleinen Schritte, damit wir uns auch langfristig in der zweiten Liga etablieren können. Denn mit Euphorie allein lässt sich kein Spiel gewinnen."

Dennoch soll die Euphorie ein Trumpf des TV Hilpoltstein bleiben. "Mit unserem Aufstieg haben wir eine Tischtennis-Begeisterung in der Region ausgelöst", sagt Abteilungsleiter Bernd Beringer. Mit durchschnittlich 250 Besuchern bei den Heimspielen wurde der TV Hilpoltstein zum Zuschauerkrösus unter den deutschen Zweitligisten, und bei der bayerischen Einzelmeisterschaft in der Stadthalle gab es den besten Besuch seit Jahren. "Aber dieses Niveau können wir auf Dauer nur halten, wenn wir mehr gewinnen." Ein Sieg und ein Unentschieden – so lautete die magere Heimspielbilanz in der vergangenen Saison. "Ich hoffe, dass es heuer besser wird, aber es wird sicher nicht einfach."

Zwar gibt es nur noch zehn Mannschaften in der Liga – und deshalb nur noch zwei Absteiger. Aber schon im ersten Saisonspiel am 2. September gegen den Aufsteiger FC Saarbrücken wird sich in der Stadthalle zeigen, dass auch die anderen Vereine erneut stark aufgerüstet haben. Einzig der zweite Aufsteiger, die TSG Heilbronn, scheint mit einer unveränderten Regionalliga-Mannschaft schon zu Saisonbeginn als erster Absteiger festzustehen. "Aber sonst ist das Niveau in der zweiten Liga wieder extrem hoch", so Beringer, der nicht weniger als 36 ausländische Tischtennisspieler unter den insgesamt 80 Stammkräften der 2. Bundesliga Süd gezählt hat.

Trotzdem will der TV Hilpoltstein der Klassenerhalt diesmal deutlicher als zuletzt erreichen. Weniger wegen des erneut "verhältnismäßig geringen Etats", so Beringer, sondern vielmehr wegen der deutlich besseren Vorbereitung: Nachdem im Vorjahr die beiden tschechischen Spitzenspieler lange ausfielen, bestreitet nun – abgesehen von Shen und Sand – der komplette Kader das Trainingslager. In dieser Woche in Hilpoltstein und ab Samstag im tschechischen Havirov, wo Bindhammer und Co. unter anderem mit der tschechischen Nationalmannschaft trainieren werden. Und zum Abschluss tritt das gesamte TV-Team bei den stark besetzten Prag Open an.

Letzter Formtest ist dann die Vorrunde der deutschen Tischtennis-Pokalmeisterschaft, die vom TV Hilpoltstein am 26. August in der Stadthalle ausgerichtet wird. Sechs Zweitligisten spielen dabei in Dreiermannschaften um den Einzug in die erste Hauptrunde, Hilpoltstein ist für das Halbfinale gesetzt, und der Turniersieger darf sich schließlich auf ein Duell mit dem Erstligisten TTC Tündern freuen. "Das letzte Jahr war schon ein großes Abenteuer", sagt Beringer. "Und jetzt haben wir mit der Verpflichtung von Shen Chi-Ming wieder etwas Neues in Hilpoltstein gewagt. Ein Experiment." Das Abenteuer geht also weiter.