Langweid (DK) Manchen Menschen gilt Amazon als böse. Dem Online-Giganten wird vorgeworfen, Verlage unter Druck zu setzen und die Mitarbeiter auszubeuten, Autoren kritisieren die Allmacht des Konzerns, Zulieferer die Geschäftspraktiken. Wenn Amazon böse ist, dann ist Buch 7 gut. Der von sieben Studenten gegründete Internet-Buchladen mit Sitz in Langweid im Landkreis Augsburg spendet 75 Prozent seines Gewinns und versteht sich auch sonst als Gegenmodell zu dem Internet-Riesen.
2007 saßen sieben Freunde – die meisten von ihnen studierten damals an der Universität Augsburg – zusammen und diskutierten über eine bessere Welt. „Wir waren jung, wollten die Welt verbessern und fragten uns, wo wir anfangen können“, erzählt Benedikt Gleich. Schnell war klar: Wir machen einen Online-Buchversand. Warum? Weil die Buchpreisbindung feste Gewinnspannen garantiert, weil alle Gründer gerne lesen und weil das Buch eine besondere Ware ist. „Wir wollten etwas machen, das zu uns und unseren Idealen passt. Das Buch ist ein wunderbares Produkt. Und wenn die Menschen mehr lesen würden, wäre die Welt auch ein Stückchen besser“, sagt Gleich, der Informatiker ist und gerade seine Doktorarbeit fertiggestellt hat.
Gutes tun, Bücher verkaufen, Geld spenden? So einfach ist das? Ja, sagen Gleich, im Nebenberuf Geschäftsführer von Buch 7, und Nicola Hauptmann, Studentin der Wirtschaftsinformatik und Marketingleiterin des Projekts.
Natürlich gibt es Menschen, die das naiv finden, aber Spott über Gutmenschentum begegnen die etwas anderen Online-Händler mit Selbstbewusstsein: „Ja, wir sind Weltverbesserer. Was wir machen, nennen wir pragmatischen Idealismus. Wir sind keine weltfremden Gutmenschen, unser Idealismus ist in Zahlen messbar“, sagt Gleich im Gespräch am Küchentisch in einer Wohnung in Langweid, wo auch die Zentrale von Buch 7 sitzt – ein eigenes Büro hat die Firma nicht, „das spart 500 Euro Miete im Monat“. Bei Buch 7 wird genau gerechnet.
Insgesamt haben die sozialen Buchhändler bereits über 20 000 Euro gespendet, im Moment sind es etwa 1000 Euro monatlich, manchmal auch 2500 Euro – Tendenz stark steigend. Das hat wiederum mit dem Giganten aus den USA zu tun. „Jede negative Schlagzeile über Amazon bringt uns neue Kunden“, sagt Nicola Hauptmann.
Für das Buch 7-Team gibt es sowieso keinen Grund, woanders Bücher zu kaufen: Der Kunde hat eine Auswahl wie bei der Konkurrenz – ein Gesamtangebot von fünf Millionen Büchern, CDs, Filmen – und auch der Service ist wie bei den großen Online-Anbietern. „Nur tun unsere Kunden mit jedem Kauf auch etwas Gutes“, meint Gleich. Die Internetseite der Buchhändler – www.buch7.de – bietet die üblichen Features von Bestsellerlisten, Rankings, Empfehlungen und Bestelloptionen, in Kürze werden auch Kundenrezensionen folgen, und wer bis 13 Uhr bestellt, bekommt sein Buch am nächsten Tag – in Deutschland versandkostenfrei.
Wobei das Team eines nicht möchte: eine Konkurrenz für den stationären Buchhandel sein. „Wer bei seinem Buchhändler kauft, der soll das auch weiterhin tun. Wer Bücher aber online bestellt, soll das bei uns tun.“ Auch in Details ist Buch 7 anders: Bei jeder Bestellung erhält der Kunde ein Lesezeichen mit dem Foto eines Mitarbeiters, der mit persönlicher Unterschrift für den Kauf dankt. Die mittlerweile sechs 450-Euro-Kräfte bekommen zwölf Euro die Stunde, also weit mehr als den Mindestlohn, Kreditkartenzahlungen sind nicht möglich. „Datenschutz hat Priorität“, sagt der Informatiker.
Die Kunden sind zufrieden und bescheren Buch7.de seit einiger Zeit fantastische Wachstumsraten. Dass Bücherleser, zumindest Bücherleser mit sozialem und ökologischem Gewissen, vielleicht tatsächlich etwas andere Menschen sind, belegen wiederum die Zahlen: So sind die Buch 7-Kunden offenbar besonders ehrlich – zumindest liegen die Zahlungsausfälle weit unter den Raten anderer Versandhändler.
Über die Verwendung der Spenden entscheidet das gesamte Team jeden Monat. Grundsätzlich werden soziale, ökologische und kulturelle Projekte in ganz Deutschland gefördert, bevorzugt noch junge und kleine Angebote. So hat Buch 7 bislang beispielsweise einen Verein zur Unterstützung von Gewaltopfern, die Leipziger Tafel, ein mehrsprachiges Kindertheater und ein Musik-Integrationsprojekt gefördert.
Das verbleibende Viertel des Gewinns wird unter den Teilhabern aufgeteilt. Benedikt Gleich, der zwei bis drei Tage in der Woche für das Unternehmen arbeitet, bezieht dafür zum Beispiel ein kleines Gehalt. Neben den Gründern und Teilhabern gibt es die erwähnten Teilzeitkräfte und Unterstützer, die ehrenamtlich arbeiten.
Im Moment läuft das Projekt besser denn je, selbst „der Großhändler ist viel freundlicher geworden“. Für Gleich, Nicola Hauptmann und ihre Mitstreiter ist das aber kein Grund, sich nicht neue Ziele zu setzen: Eine monatliche Spendensumme von 5000 Euro wird angepeilt, außerdem würde man gerne zumindest eine Vollzeitkraft beschäftigen. Das muss aber nicht das Ende sein: „Wenn jeder zehnte Bundesbürger seine Bücher bei uns kauft, können wir Projekte mit etwa 50 Millionen Euro im Jahr fördern.“
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