Olympische Beobachtungen: Mein Freund trug das Feuer

06.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:06 Uhr

Eichstätt (DK) Er spricht Russisch, ist ein expliziter Kenner der russischen Geschichte und Gesellschaft, er kennt Sotschi fast wie seine Heimatstadt und er liebt eine Russin. Was liegt für den DONAUKURIER näher, als Josef Bartenschlager zu den Olympischen Spielen in Sotschi zu schicken? Der leidenschaftliche Lokalredakteur des EICHSTÄTTER KURIER wird in den nächsten dreieinhalb Wochen für unsere Zeitung exklusiv aus der Stadt am Schwarzen Meer berichten.

Mein Freund Valerij ist gelaufen. Und mir hat er vorher nichts gesagt. Erst im letzten Moment. Dass Sie das aber jetzt nicht missverstehen. Laufen tut er oft, der Valerij, denn er ist ein durchtrainierter Sportler. Aber jetzt ist er auf der Hauptstraße gelaufen, auf der Lenin-Straße, umjubelt von Menschen und er hat eine Fackel in der Hand gehalten. Valerij war einer der Stafettenläufer, die die olympische Flamme durch Russland getragen haben. Inzwischen ist sie in Sotschi selbst angekommen. Und natürlich gab es ein riesiges Volksfest.
 
Tausende von Menschen säumten die Straßen, schwenkten Fähnchen und jubelten. Stolz sind sie hier, dass diese Winterspiele in Russland ausgetragen werden, und stolz war auch Valerij, dass er sein Land repräsentieren durfte. Zu dieser Ehre kam er, weil er ein hervorragender aktiver Sportler (Tennis) war, ein hervorragender Trainer (Tennis) und ein noch besserer Organisator (alle Sportarten) ist. Mehrere hohe Auszeichnungen nennt er sein eigen. Ein verdienstvoller Mann also. Er ist auch in Sotschi geboren. Also bekam er die Nachricht, er solle die nötigen Papiere ausfüllen und einschicken. Und schließlich war es so weit. Bis zum letzten Moment hat er den Mund gehalten, weil er fürchtete, es könnte etwas dazwischenkommen.
 
Erst am Vormittag kam ein Anruf. Wenn ich ihn sehen möchte, könnte ich gegen halb drei zur Lenin-Straße, Ecke Gogol-Straße, kommen. Klar, dass ich sofort sämtliche Pläne für diesen Nachmittag umgeworfen habe. Mit Tausenden anderen postierte ich mich dort, und tatsächlich, da kam er: Im offiziellen Sportanzug mit der weißen Mütze und den lustigen Handschuhen, von denen jeder Finger in eine andere Farbe getaucht scheint. Die Fackel hoch erhoben. Und ein strahlendes Lächeln im Gesicht.
 
Unser Redakteur Josef Bartenschlager kennt Sotschi bereits aus den 90er-Jahren. Seine Frau Ludmila stammt aus der Olympiastadt.