Vohburg
Olympia in Pyeongchang hat längst begonnen

06.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

−Foto: (red.web-Print Publisher)

Vohburg (DK) Sven Güldenpfennig war Professor für Sport- und Kulturwissenschaft in Berlin und Hamburg sowie wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Olympischen Instituts. Güldenpfennig lebt jetzt im Ruhestand in Vohburg und kommentiert für den DONAUKURIER die Olympischen Winterspiele in Südkorea.

Am 9. Februar beginnen die Olympischen Winterspiele in Korea. Nein. Sie haben bereits am 1. September begonnen mit der offiziellen Eröffnung des Olympischen Dorfes. Wieder nicht richtig. Wirklich begonnen haben sie am 6. Juli 2011. Da vergab das IOC in Durban die Ausrichtung bei dessen drittem Anlauf an Südkorea. Gegen München übrigens, das mit seiner herausragenden Bewerbung nur der olympiapolitischen Priorität des IOC für die weitere Erschließung Ostasiens unterlegen war. Das IOC war damit seiner Linie gefolgt, seine Spiele weiterhin weltweit wandern zu lassen und damit gerade auch solche Regionen einzubeziehen, die bislang weiße Flecken auf der olympischen Karte waren.

Das war genau 30 Jahre nach seiner Vabanque-Entscheidung für Seoul 1988. Damals die Hauptstadt eines Ausrichterlandes, das unter der brutalen Herrschaft einer Militärdiktatur stand und sich seit dem Waffenstillstand im Koreakrieg 1953 in einem notorischen latenten Kriegszustand befindet mit seinem Nachbarn Nordkorea am 38. Breitengrad, der weltweit heißesten Grenze.

2011 nun hat sich das IOC mit dem Ausrichter Pyeongchang erneut für Südkorea entschieden. Zwar hatte sich das Land schon im direkten Umfeld von Seoul auf den Weg zur Demokratie begeben und ist darauf bis heute weit vorangekommen. Aber die militärische Konfliktlage an der Waffenstillstandsgrenze hat sich durch das Atomrüstungsprogramm des Nachbarn wieder gefährlich zugespitzt. Folglich stand erneut die Frage, ob das IOC seine Entscheidung wirklich im vollen Bewusstsein seiner weltpolitischen Verantwortung für die Gewährleistung friedlicher Spiele getroffen hatte.

Doch dann die abermals überraschende Wendung: Wie aus dem Nichts saßen Süd und Nord plötzlich am Verhandlungstisch - und verabredeten olympische Gemeinsamkeiten. Über alle politische Verfeindung hinweg. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits bei den Winterspielen 2006 in Turin waren beide Seiten unter gemeinsamer Flagge ins Stadion einmarschiert als Zeichen für künftige Versöhnungsbereitschaft. Dies jedoch blieb nur ein kurzes Intermezzo. Es ist ein ewiges, jahrzehntelanges Wechselspiel zwischen zuversichtlicher Annäherung und feindseliger Abstoßung ohne Aussicht auf einen für beide Seiten akzeptablen Modus vivendi - oder gar für das Fernziel einer staatlichen Wiedervereinigung.

Natürlich ist auch eine noch so kurze Entspannung in diesem weit über die Region hinaus auch weltpolitisch bedeutsamen Konflikt zu begrüßen. Sie eröffnet erneut Zukunftschancen. Aber es wäre ein Irrtum, diese zunächst nur vage politische Hoffnung der Macht der Olympischen Idee zuzuschreiben. Es ist genau umgekehrt: Die aktuelle politische Lagebeurteilung und der daraus entsprungene politische Wille der Regierungen beider Staaten weisen in Richtung Annäherung. Und für die Demonstration dieses Willens zum Umsteuern eignet sich ein politisch neutrales, aber weltweite Aufmerksamkeit heischendes Ereignis wie die Olympischen Spiele wie kein anderes. Seit der Besiegelung des Annäherungswillens zwischen Richard Nixon und Mao Tsedong mittels eines Tischtennis-"Vergleichs" zwischen der Volksrepublik China und den USA 1971 nennt man so etwas "Ping-Pong-Diplomatie".

 

Sven Güldenpfennig war Professor für Sport- und Kulturwissenschaft in Berlin und Hamburg sowie wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Olympischen Instituts. Güldenpfennig lebt jetzt im Ruhestand in Vohburg und kommentiert für den DONAUKURIER die Olympischen Winterspiele in Südkorea.