"Ohne die Barbara wären wir schlecht dran"

26.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:10 Uhr

Körbe und Zettel liegen schon bereit, gleich geht’s zum Einkaufen: Die 27-jährige Diplombetriebswirtin Barbara Lenz betreut seit vier Jahren ehrenamtlich das hilfsbedürftige Ehepaar Annelies und Hans Bittner in Rennertshofen. - Foto: Stengel

Rennertshofen (DK) Freitagabend, kurz nach 17 Uhr: Schnee fällt, im Kaminofen prasselt Feuer. Traute Behaglichkeit im Haus der Bittners. Annelies und Hans haben es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht und blicken hinaus auf ihren weitläufigen Garten.

Als plötzlich die Haustür aufgeht, erstrahlt ein Lächeln in den Gesichtern des Ehepaares. "Jetzt kommt die Barbara", ruft die 81-Jährige fröhlich. "Auf die ist einfach Verlass", ergänzt ihr 93-Jähriger Ehemann gerührt.
Immer freitags

So ist das schon seit vier Jahren: Immer freitags nach Feierabend kommt die junge Diplombetriebswirtin zu den beiden Senioren nach Rennertshofen. Und wie immer zückt Annelies Bittner einen ellenlangen Einkaufszettel, den sie fein säuberlich schon am Vormittag geschrieben hat. Denn nach einem kurzen Plausch rückt das Damenduo aus: Zum Supermarkt, zur Apotheke oder zum Elektrohändler. Was eben so ansteht. Barbara chauffiert die alte Dame, trägt ihre Einkaufstüten, lädt sie ins Auto und packt sie vor dem Haus An der Bleiche wieder aus. Alleine könnten die Bittners das nicht mehr bewältigen. Nach einem schweren Sturz kann Hans sich nur mehr wenige Meter weit mit dem Rollator bewegen. Dann schwinden seine Kräfte. Und seine Frau plagen chronische Rückenschmerzen, "so schlimm, dass ich manchmal keinen Meter mehr laufen kann".

Doch seit es Barbara in ihrem Leben gibt, lassen sich die körperlichen Leiden besser ertragen, "haben wir ein neues Mitglied in unserer Familie", wie der Hans sagt. Denn Barbara Lenz, die im Ortsteil Stepperg oder bei ihrem Freund Robert in Neuburg wohnt, betreut die Bittners. Ehrenamtlich. "Na ja", ergänzt die engagierte junge Frau lachend, "manchmal spendiert mir die Annelies beim Einkaufen Karotten für meinen Hasen". Kennen tun sich die Drei schon viele Jahre. Wie das eben in einer Landgemeinde so üblich ist. Doch vor vier Jahren, als der Hans seinen 90. feierte, brachte Barbara ihre Oma – eine Schulfreundin von Annelies – zum Fest bei den Bittners. Man kam ins Gespräch, verstand sich auf Anhieb gut und verabredete einen Termin zum Töpfern. Eine Kunst, welche die Bittners – sie ist gelernte Keramikerin, er ein passionierter Hobbyhandwerker – aus dem Effeff beherrschen. "Wir waren sofort per Du", weiß der Hans noch ganz genau. Bald wurde aus den gemeinsamen Treffen Freundschaft. Und Freunden steht man bei, wenn sie Hilfe brauchen.

Als Hans nach einem schweren Sturz wochenlang im Krankenhaus in Neuburg lag, war es Barbara, die Annelies an sein Bett brachte und wieder abholte. Sie fuhr ihn nach München zu langwierigen Sitzungen beim Optiker, half bei der Suche nach einem Käufer für das Auto der Bittners, nachdem Hans gesundheitsbedingt nicht mehr fahren konnte und bringt "Felix", den roten Kater der Bittners, zum Tierarzt.

"Sicher", sagt Annelies, "haben wir auch Nachbarn, die uns helfen. Aber das mit Barbara ist etwas ganz besonderes." Wie eine Enkelin sei die 27-Jährige, die "sofort an ihren Opa denken musste, als ich den Hans getroffen hab". Seine Kinder aus erster Ehe leben in Kärnten. Zu weit weg, um sich um Vater und Stiefmutter zu kümmern, "aber das Verhältnis ist gut". Seit 1966 sind die Bittners verheiratet, gaben sich kein Vierteljahr nach dem Kennenlernen das Jawort und "waren von der ersten Minute an unzertrennlich", erzählt das Paar. Deshalb wollen sie ihre Zweisamkeit auch im hohen Alter genießen. In ihrem Haus an der Ussel, wo es sich so gut leben lässt.

"Wir sind ein gutes Trio"

Barbara ist in ihrer Freizeit vielseitig aktiv. Im Seniorenkreis, im Tennis- und im Skiclub, steht für die Stepperger Theaterspieler auf der Bühne, verbringt viel Zeit mit Großtante und Oma und schreibt als Freie Mitarbeiterin für den DONAUKURIER. Aber sich für alte Menschen zu engagieren, war immer eine Motivation für sie, "denn früher war meine Oma für mich da. Und jetzt bin ich an der Reihe." Es erfülle sie mit innerer Zufriedenheit, "und ich denke, wenn man gibt, bekommt man das später einmal zurück". Schon im Elternhaus habe man ihr vermittelt, dass sich der Kreis zwischen Alt und Jung schließen müsse, dass die Rollenverteilung sich im Lauf der Jahre ändert, dass es Pflichten für beide Seiten gibt. Und für die Bittners lege sie sich sowieso gerne ins Zeug, "denn die beiden sind so süß. Wir sind einfach ein gutes Trio. Und wenn sie sich freuen, freue ich mich auch."

Allein schon das Wissen, dass Barbara da ist, sei so beruhigend. Besonders in jenen Minuten, die sie ab und zu ins Grübeln gerät "und über den Tod nachdenkt", meint die 81-Jährige. So kommt es auch, dass auf dem Zettel mit den Notfalladressen die Telefonnummer der 27-Jährigen ganz oben steht.

"Ohne die Barbara wären wir schlecht dran", sagt der 93-Jährige. Nicht nur, weil sie anpackt, sondern "weil wir zusammen so viel lachen können". Zuletzt taten die Drei das am Faschingssonntag, wo sich Barbara den Freunden immer nach dem Gaudiwurm im Kostüm vorstellt. Und so kam es, dass dieses Jahr im Vorgarten der Bittners eine lebendige, überdimensionierte Eistüte stand.