O Fortuna? Oh, Corona!

Auch das Orff-Jubiläumsjahr wird von den Unwägbarkeiten unserer Tage gebeutelt

24.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:06 Uhr
Spektakel vor 25 Jahren: Mit einer gigantischen Inszenierung der "Carmina Burana" feierte Walter Haupt das Gedenken an Carl Orff zu dessen 100. Geburtstag. Mehr als 40000 Zuschauer sahen an zwei Abenden die Aufführung auf dem Münchner Königsplatz. Zum 125. Geburtstag in diesem Jahr sind fast alle Veranstaltungen verschoben worden. −Foto: Kiefer, dpa

München - 2020 ist kein gutes Jahr für Jubiläen, das wissen alle, die Beethoven, Raffael oder Carl Orff (kleines Foto) feiern wollten, dessen Geburtstag sich am 10. Juli zum 125. Male jährt.

Eine großangelegte Feier mit 65 großen und kleineren Veranstaltungen und über 1000 Mitwirkenden, von verschiedenen Veranstaltern bayernweit in jahrelanger Planung zusammengepuzzelt, war zu Beginn des Jahres gestartet. Dann wurde das Orff'sche Welttheater im vollen Lauf vom Corona-Weltgeschehen ausgebremst.

Dabei darf man den Jubilar wohl als eines der Glückskinder seiner Komponisten-Generation betrachten. Er hat einen Hit und viele Werke hinterlassen. Sein Nachlass wurde zunächst von der Witwe, dann durch fein tariertes Zusammenspiel von Staat und Stiftung wohl bewahrt. In seinem Schulwerk pflanzt sich sein Geist bis heute fort, wenngleich nicht jedes Kleinkind, das ein "Orff-Instrument" zum Rasseln in die Hand gedrückt bekommt, im Sinne des Erfinders instruiert sein dürfte.

Thomas Rösch, Leiter des Orff-Zentrums in München (Foto, unten), glaubt, dass Orff das vorausgesehen hat: "Orff sprach von einer Art Pflanze, die er zwar säe, die aber sich im Wildwuchs entwickeln würde. Damit seine Grundidee nicht in Vergessenheit geriet, gründete er das Orff-Institut, von wo aus zertifizierte Musiker als Multiplikatoren in alle Welt gelangen. Orff wusste, dass ,körpernahe' Instrumente wie Xylofone einfach zu spielen sind und das unmittelbare Musikzieren ermöglichen. Auch implizieren sie tänzerische Bewegung. Weiter war ihm wichtig, dass die Kinder angeleitet werden, selbst zu improvisieren und auch die Sprache hinzuzufügen. "

Es gäbe also viele Irrtümer aufzuklären und spannende biografische Details zu studieren über eine Person, die im Dritten Reich durchaus ambivalent auftrat (siehe Interview auf dieser Seite). Orff wirkte in Jahrzehnten des Umbruchs, an einer Nahtstelle der Moderne. Für viele Bereiche, die heute im Fokus unserer Gesellschaft stehen, hatte er eine Antenne. So erarbeitete seine zweite Frau Gertrud Orff-Willert mit Kindern inklusiv-therapeutische Projekte und stellte beispielsweise ein Ensemble aus Gehörlosen im Sinne des Orff-Schulwerks zusammen. Überhaupt spielten in Orffs langem Leben, das vier Ehefrauen und eine Tochter begleiteten, Frauen prägende Rollen, so Rösch. "Wenig beachtet ist beispielsweise die enge Zusammenarbeit Orffs mit Gunild Keetman (1904-1990), deren didaktisches wie kompositorisches Talent er gefördert hat. Auch die "Musik für Olympia" aus dem Jahr 1936 stammte wohl von ihr. Beide haben, was das Schulwerk angeht, so intensiv zusammengearbeitet, dass die Anteile schwer zu trennen sind. "

Das Nachleben des 1982 verstorbenen Orff sieht der Forscher allerdings ambivalent: "Die Carmina-Burana-Kurve ist seit Mitte der 50er-Jahre unverändert hoch, nur wenige Tage im Jahr, an welchen sie nicht aufgeführt wird. Das hat Orff zu Lebzeiten schon mitbekommen - allerdings gerieten auch damals bereits die anderen Werke ins Hintertreffen. Diese zweite Kurve bleibt, abgesehen von Ausschlägen in Bayern, konsequent niedrig. "

Es gibt also viel zu entdecken und das Orff-Jahr wäre die perfekte Gelegenheit. Im Rahmen des nun auf 2021 verschobenen Festakts im Prinzregententheater soll es sogar eine Uraufführung geben, ein Chorsatz, der für Carmina Burana als Schlusssatz vorgesehen und dann vom Komponisten gestrichen wurde. Doch "Tyrannis führt das Zepter! ", heißt es in "Die Kluge" und sie trägt derzeit den Namen Covid-19. Geplant sind bisher noch Seminare, Tagungen und eine "Astutuli"-Lesung mit Klaus Wittmann, das Orff Festival in Andechs will ein Kammerkonzert zur Aufführung bringen, viele andere Veranstaltungen wurden kurzerhand um ein Jahr verschoben. Immerhin liegt fast das ganze Orff-Werk in Aufnahmen vor, so dass man sich bis dahin ausführlich in das Werk dieses bayerischen Komponisten einhören kann.

DK


Veranstaltungskalender unter www. orffjahr2020.bayern. de.