Ingolstadt
Nur nicht hängen lassen

Klettern: Ingolstädter Christoph Schweiger trainiert neunmal pro Woche für seinen Olympia-Traum

28.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:41 Uhr
Jakob Schätzle

Ingolstadt - Konzentriert klettert Christoph Schweiger die Wand entlang.

Es ist, wie im gesamten Ingolstädter Kletterzentrum, still auf der Boulderfläche. Schweiger bewegt sich von einem bunten Griff zum nächsten, jeder Muskel in Armen und Beinen wirkt angespannt. Er klettert und klettert, ehe er am Ende seiner Route oben angekommen ist, sich kurz an seinen Armen hängen und dann die gut zwei Meter nach unten fallen lässt.

Auf den ersten Blick scheint alles wie immer zu sein, wenn Christoph Schweiger bouldert, sprich in Absprunghöhe ohne Sicherung klettert. Acht- bis neunmal pro Woche trainiert der 19-Jährige. Der Unterschied zu Zeiten vor der Pandemie: Er hat die Kletterhalle im Ingolstädter Süden fast für sich allein.

Zusammen mit seinem Bruder Martin und einem weiteren Kollegen kann Schweiger seiner Leidenschaft nachgehen - im Gegensatz zur breiten Masse der Amateursportler. Denn während der Breitensport seit Monaten pausieren muss und auch der herbeigesehnte Neustart vergangene Woche Corona-bedingt wieder verschoben werden musste (siehe Kasten), darf Schweiger klettern. Denn er ist Mitglied des Nationalkaders.

Somit stehen Schweiger auch in Zeiten des Lockdowns die Türen zu den Kletterhallen offen. Nur zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 war auch für ihn das Klettern in der Halle unmöglich. "Da haben wir uns eine kleine Kletterwand für zuhause gebaut, auch wenn das natürlich nicht ganz vergleichbar mit der Kletterhalle ist", erzählt der Ingolstädter.

Wenn sich allerdings eine eigene Kletterwand lohnt, dann bei Familie Schweiger: Vier Brüder hat Christoph, alle klettern. "Eindeutig Sport Nummer eins" sei das Klettern in seiner Familie, erzählt er. "Mein Papa ist früher auch geklettert und hat uns mit in die Halle genommen. "

Das Bouldern hat es Christoph Schweiger besonders angetan. Ohne Seil, dafür aber in Absprunghöhe klettern die Athleten von einem Griff zum nächsten eine bestimmte Route, sogenannte Boulder, entlang. Seinen Ursprung hat die Sportart im Felsklettern, was Schweiger auch heute noch sehr gerne macht: "Damit verbinde ich ein besonderes Gefühl. Man ist in der Natur, sucht die Blöcke, verbringt eine gute Zeit, am besten mit Freunden und es ist einfach vorgegeben, wie man zu klettern hat. Man kann nicht herumtricksen wie ab und zu in der Halle. " Seinen Sport kann er nur weiterempfehlen - selbst wenn man mit Klettern bislang wenig zu tun hatte: "Um einfach zu bouldern, braucht man extrem wenig. Man kann in die Kletterhalle gehen, sich Schuhe und Kreide ausleihen und loslegen, weil es für jeden Schwierigkeitsgrad etwas gibt und sich jeder vom Anfänger bis zum Profi in der Kletterhalle austoben kann. Gleichzeitig wird einfach alles abgefragt: Kraft, Beweglichkeit, Körpergefühl. Diese Vielseitigkeit und Abwechslung begeistert mich bis heute. "

Schweiger muss es wissen. 2015 schaffte er es erst in den Jugendnationalkader, dann über gute Leistungen bei Meisterschaften und Trainingslagern ins Team der Herren. Nach zahlreichen Erfolgen im Jugendbereich mischt der 19-Jährige auch bei den Erwachsenen bereits oben mit: Zweifacher bayerischer Meister und die Plätze zwei und drei bei deutschen Meisterschaften stehen aktuell im Steckbrief von Schweiger, der nebenher in München Betriebswirtschaftslehre studiert. "Das Studium wurde über den Olympiastützpunkt organisiert. So kann ich ein bisschen entspannter studieren und muss nicht alle Prüfungen eines Semesters schreiben", sagt er. Acht Semester sind die Regelstudienzeit, Schweiger rechnet bei sich selbst mit zehn bis zwölf Semestern.

Auch in München kann Schweiger unter der Woche trainieren. "Wir müssen nur abklären, dass nicht zu viele gleichzeitig dort sind. Aber ansonsten ist es für uns ziemlich entspannt. Da haben wir großes Glück", meint der junge Athlet. Schweiger trainiert aber nicht nur, um in Form zu bleiben. Im April steht unter anderem ein Weltcup in der Schweiz an. "Mal sehen, wie sich die Lage entwickelt und viele Wettkämpfe in diesem Jahr stattfinden können. Hoffentlich ein paar mehr als vergangenes Jahr. "

Der Boulderer blickt aber auch über die unmittelbar anstehenden Wettbewerbe hinaus. Bei vielen Weltcups und Weltmeisterschaften wolle er in Zukunft starten, außerdem auch ins Leadklettern, dem Klettern mit Seil, intensiver einsteigen. Denn bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris steht Klettern als Kombination aus Bouldern und Leadklettern im Programm. Die dortige Teilnahme ist Schweigers großes Ziel und Grund genug für den jungen Ingolstädter, zumindest ab und zu von der geliebten Boulderecke abzuweichen und hoch hinaus mit Seil und Sicherung zu klettern.

DK

Jakob Schätzle