Neuburg
"Nüchtern bin ich ein netter Mensch"

Weil er unter anderem seine Freundin verprügelt hat, wird ein 25-jähriger Alkoholiker zu einer Haftstrafe verurteilt

14.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:19 Uhr

Neuburg (vb) Er gab den reumütigen Alkoholiker, der sich bessern will, nicht länger dieser Mensch sein will, der im Suff kriminell wird - doch das Gericht unter Vorsitz von Richterin Bettina Mora schenkte ihm keinen Glauben und verurteilte den 25-Jährigen wegen Beleidigung, Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung zu einer einjährigen Haftstrafe ohne Bewährung.

Staatsanwältin Susanne Bekk hatte dem jungen Mann diverse Delikte vorgeworfen: Anfang September soll er einen unbeteiligten Passanten an der Donau beleidigt und geschlagen haben, später dann völlig die Kontrolle über sich verloren haben, als er den Freund seiner Nachbarin mit zwei Messern bedrohte. Auch dieser Geschädigte musste sich übelste Beleidigungen anhören. Als er dann in Polizeigewahrsam genommen wurde, beruhigte sich der junge Mann immer noch nicht: Der damals zuständige Beamte bezeichnete das Verhalten des 25-Jährigen als "von weinerlich bis hoch-aggressiv" und attestierte ihm eine gewisse Kreativität bezüglich der Beleidigungen. "Die komplette Bandbreite."

Weil sich der Angeklagte trotz Handfesseln in die Haut über den Pulsadern biss und sich eine blutende Wunde zuzog, beschloss die Polizei, ihn ins Klinikum nach Ingolstadt zu bringen. Auch auf dem Weg dorthin war es nicht damit getan, ihn einfach anzuschnallen - er wehrte sich derart heftig, dass ihn zwei Beamte auf dem Boden des Wagens fixieren mussten. Dabei kamen ihm noch Drohungen über die Lippen wie: "Ich würde euch am liebsten die Hautschichten ablösen und in Zitronensäure auflösen."

Nur zwei Wochen später der nächste Eklat: Mit seiner damaligen 17-jährigen Freundin betrank sich der Angeklagte mit Rotwein, dann ging es in die Stadt. Eifersüchteleien auf beiden Seiten führten zum Streit - der in der Wohnung des Angeklagten fortgesetzt wurde. Am Ende blutete die junge Frau aus der Nase, hatte zwei blaue Augen und Hämatome im geschwollenen Gesicht. Fünfmal soll er sie mit der Faust geschlagen haben.

Der Angeklagte räumte die Taten überwiegend ein - und schob gleich eine Erklärung hinterher: "Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr schwerer Alkoholiker." Er habe Anfang September seine Arbeit verloren, das habe ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. "Hass auf die Welt, Hass auf mein Leben" seien die Gründe für seinen Absturz gewesen. "Nüchtern bin ich ein netter Mensch. Das, was in der Anklage steht, das bin ich nicht." Seine Freundin habe er "über alles geliebt. Ich weiß nicht, was mich geritten hat". Sie hätten sich gegenseitig angeschrien und er sie noch aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Als sie dann aber auch noch seinen Fernseher auf den Boden geworfen habe, sei es mit ihm durchgegangen.

Im September hatte er sich dann zwei Wochen selbst stationär in die Psychiatrie in Ingolstadt einweisen lassen und ist in die Suchtberatung gegangen. "Es ist alles in die Wege geleitet, dass ich eine sechsmonatige Therapie mache, wenn dieses Verfahren vorbei ist", erklärte er. Er habe es jahrelang alleine schaffen wollen, aus Stolz, nun aber wisse er: "Ich brauche Hilfe."

Sein Mitleid heischendes Verhalten vor Gericht hätten ihm möglicherweise die Beteiligten abgekauft - wäre da nicht Staatsanwältin Bekk gewesen, die den Angeklagten von einem Prozess kennt, der im April 2015 stattfand. "Das haben Sie letztes Mal auch alles schon gesagt", machte sie deutlich. "Dass Sie aufhören und eine Therapie machen wollen. Und fünf Monate nach dem Urteil passiert das alles hier." Sie forderte eine Haftstrafe von 14 Monaten. Verteidiger Martin Angermayr argumentierte, dass es ein ehrlich gemeinter Hilferuf sei, jetzt eine Therapie starten zu wollen. Er plädierte für zehn Monate auf Bewährung.

Richterin Mora konnte das jedoch nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. "Ich habe lange darüber nachgedacht", erklärte sie, "Ihr Alkoholproblem ist Ihnen seit Langem bewusst, Sie hätten genügend Gelegenheiten gehabt, es anzugehen." Sie müsse auch das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung im Blick behalten, eine Bewährungsstrafe könne sie nicht verantworten. Der 25-Jährige zeigte sich wenig begeistert und kündigte an, in Berufung zu gehen.