stadtgeflüster
Nichts Neues unter der Sonne

11.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:39 Uhr

(kue) Kinder lieben Wiederholungen.

Nicht umsonst flöten stolze Eltern seit Menschengedenken ihr süßestes Duziduzidu solange in den Kinderwagen, bis der Wonneproppen vor Lachen blau anläuft. Kaum können die Kleinen dann allein ihr Köpfchen halten, darf sie Papi wieder und wieder zur Zimmerdecke stemmen, bis der Erzeuger aufgibt und verschwitzt und ermattet in den Sessel sinkt. Und sind die kleinen Racker endlich ihren Papierwindeln entwachsen, lässt sich der Nachwuchs am Kinderbettchen die immer gleiche Geschichte sooft vorlesen, bis erwachsene Vorleser jedes Alters garantiert noch vor ihnen in Tiefschlaf fallen.
Den Reiz der Wiederholung hat auch das Fernsehen längst für sich entdeckt. Was wäre Weihnachten ohne die Mädels vom Immenhof und der Sonntagabend ohne Tatort-Wiederholung. Jürgen von der Lippe, jüngst für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, brachte das einmal - nicht ganz ohne Ironie, wie wir glauben - so auf den Punkt: "Das deutsche Fernsehprogramm ist das beste der Welt. Gäbe es sonst die vielen Wiederholungen? "

Vor bald 20 Jahren hat ein Radiomoderator namens Oliver Pscherer das mediale Rotationsprinzip auf die Spitze getrieben: Am 19. Juli 1999 verbarrikadierte sich der Hamburger im Studio seines Senders Mix 95.0 und spielte stundenlang zwei Stücke in einer Endlosschleife: Den Abba-Hit "Dancing Queen" und "No Milk Today" von Herman's Hermits. Später verriet er, dass er mit dieser Aktion dagegen protestieren wollte, dass überall dieselben Songs rauf und runter dudeln - egal bei welchem Sender und bei welchem Format. "Die Rotation bei kommerziellen Sendern ist unglaublich klein", sagte er einmal einem Nachrichtenmagazin.
Der Kampf von Pscherer gegen die "Einheitspampe" der Privatsender, wie er es nannte, war wohl vergebens. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen entscheidet statt des Moderators inzwischen offenbar der Computer über das Musikprogramm. Höchste Zeit also, dass sich wieder mal ein Moderator im Studio einsperrt und die immer selben Titel spielt. Sollte er allerdings auf die Idee kommen, Dermot Kennedys "Power Over Me" oder Lenas "Thank You" in die Endlosschleife zu schicken, dann läuft die Protestaktion möglicherweise ins Leere. Immer mehr Sendern, die junges Publikum ansprechen wollen, scheint ein solcher Hitmix für eine ganze Sendung zu reichen.

Aber auch bei Radiostationen mit der eins im Namen, die ihr nicht mehr ganz so junges Publikum gern mit dem Slogan "mehr Abwechslung" ködern, gilt in Sachen Musik das Rotationsprinzip. Von den 217 Titeln, die die Beatles veröffentlicht haben, schicken sie heutzutage gerademal vier über den Äther: "She Loves You", "Yesterday" , "A Hard Day's Night" und "Yellow Submarine". Fast möchte man meinen, der biblische Kohelet hätte Radio gehört, als ihm der Stoßseufzer entfuhr: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne. "