Ingolstadt (DK) Bei der Entkriminalisierung von Cannabis ist Ingolstadt so etwas wie eine Bastion der Widerständigen. Eine Art gallisches Dorf, das sich wacker gegen den Eindringling – in diesem Fall den Konsumenten und seinen Vorstellungen von der Legalisierung der Droge – verteidigt.
Und das mit scharfen Mitteln. So in etwa sieht es die Ingolstädter Stadtratsgruppe Die Linke.
Die Linkspartei sieht es so: Der Konsum von legalen und illegalen Drogen sei in Ingolstadt unter jungen Erwachsenen weit mehr verbreitet, als dies von offizieller Seite zugegeben werde. Rathauskoalition und Strafverfolgungsbehörden hätten durch die jüngsten „Kriminalisierungsmaßnahmen“ gezielt den Konsumenten den Kampf angesagt. Jungen Ersttätern drohen demnach bereits beim Besitz von Kleinstmengen drakonische Strafen, heißt es in einer Pressemitteilung der Linken.
Am Donnerstag suchte die Fraktion zusammen mit Fachleuten und Ärzten im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Gewerkschaftshaus nach „Wegen aus der Cannabis-Kriminalität“. Überraschend viele junge Menschen nahmen daran teil. Schnell stellte sich jedoch im Gesprächsverlauf heraus, dass offenbar nicht nur die Koalition im Rathaus, sondern auch Vertreter der Opposition sich nur schwer mit dem Gedanken einer völligen Legalisierung anfreunden können. Zumindest SPD-Stadtrat Anton Böhm, der als Allgemeinmediziner mit 25 Jahren Berufserfahrung gekommen war, stellte sich aus ärztlicher Sicht gegen die Argumente der Befürworter, vertreten von Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und Kriminalbeamter außer Dienst, sowie Christoph Rossner vom Deutschen Hanfverband. Er machte deutlich, dass am Konsum von Cannabis effektiv noch niemand gestorben sei – im Gegensatz zu Alkohol und Nikotin. Ausschlaggebend sei nicht die Substanz selbst, sondern die Dosis („Nicht jeder will die volle Wirkung“, so Rossner) und der Umgang der Gesellschaft damit, sagte er und beschrieb ein Szenario der „Angstmacherei“ durch Verbote.
Dem wollte Böhm nicht zustimmen. Zwar glaube er, dass die Freigabe kommen werde, sehe darin aber die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche schneller in Abhängigkeit geraten. „Als Mediziner kann man nicht für die Freigabe einer Droge sein“, sagte er.
Es gehe nicht um die Freigabe von Cannabis, entgegnete Templer. Cannabis sei aus seiner Sicht nicht gleichzusetzen mit Heroin und benötige daher andere Präventionsmittel. Damit einhergehend kritisierte er auch die Unkenntnis der Politik über die teils gefährlichen Streckmittel in dem Stoff, wenn dieser vom Schwarzmarkt bezogen werde. Rossner führte eine Studie ins Feld, nach der es in den USA gelungen sei, Alkohol- und nikotinabhängige Patienten erfolgreich mit Cannabis zu therapieren und sprach von einer Erfolgsquote von 75 Prozent. Ein solches Konzept wünsche er sich auch für Deutschland. Andere Vorschläge aus der Runde gingen in Richtung Cannabis-Agenturen oder lizenzierten Verkaufsstellen, die von zum Anbau befugten Landwirten beliefert werden.
Christa Büchl, Fachärztin für Psychiatrie, die in Vertretung für den ursprünglich eingeladenen Gesundheits- und Umweltreferenten der Stadt, Rupert Ebner, gekommen war, stand den Ansichten der Befürworter ebenfalls kritisch gegenüber. Ihre Erfahrung mit Konsumenten in der Prävention zeige, dass sich durch den Gebrauch von Cannabis unter anderem psychische Störungen entwickeln.
Eine nicht mehr ganz junge Zuhörerin aus dem Publikum berichtete über ihre seit 25 Jahren andauernde chronische Erkrankung und wollte mehr über den Zusammenhang von Cannabis und Schmerztherapie erfahren. Diese ist derzeit nur in Ausnahmefällen und unter strengen Auflagen möglich. Sie würde dies gerne einmal ausprobieren, räumte die Frau ein, habe jedoch Zweifel, ob das der Pharmaindustrie gefiele.
Zu den Kommentaren