Ingolstadt
Neue Heimat im Piusviertel

Der Stadtteiltreff an der Pfitznerstraße kommt gut an – wenn nur endlich die Vorhänge da wären

14.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:29 Uhr

Mittagessen im Stadtteiltreff: Das Team von Cantina international bereitet in der eigenen Küche täglich etwa 350 Mahlzeiten für Schulkinder und Senioren zu. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Vorhänge fehlen noch. Und im Mehrzweckraum im Keller gibt es nach wie vor keinen Bodenbelag. Doch ansonsten läuft nach einem halben Jahr Betrieb alles rund im Stadtteiltreff im Piusviertel. Die Menschen haben diesen Ort, der auch ein Stück Heimat ist, in Besitz genommen.

Quartiersmanagerin Bettina Nehir sagt, dass jetzt ganz andere Leute kommen als früher ins La Fattoria. „Das hängt auch mit der Wertigkeit der Räume zusammen.“ Was Nehir freut: Unter den neuen Besuchern finden sich hie und da Menschen, die Ideen haben und sich ehrenamtlich einbringen möchten. „Da ist zum Beispiel eine Frau aus Russland, die möchte demnächst musikalische Früherziehung anbieten.“

Wie reichhaltig das Repertoire ist, zeigt allein ein Blick auf die gut gefüllten Zettelkästen im Eingangsbereich: Da gibt es Computerkurse für Einsteiger, internationale Kochkurse, Mutter-und-Kind-Gruppen, den Kinderchor Doremi, eine russischsprachige Beratung, die Selbsthilfegruppe „Neubeginn“ für Migranten, das NeNa-Café der Nachbarschaftshilfe oder das Seniorentreffen.

Bis zu 60 ältere Menschen versammeln sich alle zwei Wochen donnerstags zum Kaffeeklatsch. Einige trauern dem Fattoria noch etwas nach, finden die moderne Architektur gewöhnungsbedürftig. Aber die positiven Stimmen überwiegen: „Es ist es doch richtig schön hier, hell und freundlich“, meint Mechthild Holzer, die auch bei NeNa, den netten Nachbarn, hilft. „Nur Vorhänge brauchen wir dringend, denn wenn die Sonne scheint, wird es drinnen warm wie im Brutkasten.“ Ein 81-jähriger Rentner, der auch regelmäßig zum Seniorentreffen kommt, meint: „Es ist ganz wichtig, so ein Zentrum zu haben, wo man ratschen kann wie in der Dorfgaststätte.“

Es gibt auch einen Mittagstisch für Senioren, der gut besucht ist. Aber richtig gestürmt wird der Stadtteiltreff an der Pfitznerstraße, wenn die Grundschüler zum Essen kommen. Dann füllt sich der Saal innerhalb von Minuten und es herrscht ein ohrenbetäubender Lärm, bis jedes Kind seinen Teller gefüllt und seinen Platz gefunden hat. Die Verpflegung erfolgt im Schichtbetrieb, zwischendurch werden schnell die Tische abgewischt und neu gedeckt. Stress pur für die Mitarbeiter von Cantina international, die täglich etwa 350 Essen zubereiten – wenn möglich abgestimmt auf den Geschmack der Besucher. Apfelstrudel gibt es zum Beispiel für Senioren mit Rosinen, für Kinder ohne.

Leise und konzentriert wird im Kunstunterricht für Kinder gearbeitet, den Oksana Grasmück-Beller anbietet. Die Lehrerin für Zeichnung, Kunstmalerei und Komposition hat an der bekannten Akademie in St. Petersburg studiert und gibt ihre Tricks und Techniken jetzt an den Nachwuchs weiter. „Die Welt um uns herum festhalten – daran haben die Kleinen Freude.“ Nicole malt am liebsten Landschaften oder Stillleben. „Aber man muss sich richtig anstrengen dabei“, meint die Neunjährige. Juliana zeichnet eine Rose als Geburtstagsgeschenk für ihre Mutter. Sie findet es schön im neuen Stadtteiltreff, weil durch die großen Fenster so viel Licht ins Innere kommt. Das brauchen Maler.

Auch Dominik Wunderle fühlt sich wohl in seiner neuen Umgebung: Der gelernte Landmaschinenmechaniker war lange Zeit arbeitslos und ist jetzt für das Projekt „Bürger ins Netz“ tätig. „Hier im Stadtteiltreff ist richtig was los, das gefällt mir gut. Es ist schön, mal wieder was zu tun, und die Kollegen sind auch sehr nett“, erzählt der junge Mann, der als Bürgerarbeiter bis Ende des Jahres im Einsatz ist.

Das Stadtteilbüro dient seit einiger Zeit auch als Außenstelle des Bürgeramts. „Nach einem anfänglichen Ansturm hat sich der Betrieb normalisiert“, erklärt Bettina Nehir. Bald sollen auch Busfahrkarten verkauft werden.

Die Firma Südhausbau hat mit großem Aufwand auch das Umfeld des Stadtteiltreffs neu gestaltet. Insofern ist es nicht so schlimm, wenn es mit den neuen Vorhängen noch etwas dauert. Denn der Blick aus dem Saal hinaus ins Grüne, auf die spielenden Kinder und das rege Treiben im Viertel, der hat auch was für sich.