Navi mit Intuition und Weitblick

16.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:02 Uhr

 

Was für viele Autofahrer eine Plage ist, kostet Andreas Winckler nur ein Lächeln: Kaum startet der BMW-Forscher seinen Dienstwagen, weiß das Navigationssystem bereits, wo er hinfahren möchte.

Ziel dieser Entwicklung sind allerdings nicht nur die vereinfachte Bedienung bei der Zieleingabe und Berücksichtigung individueller Schleich- und Umwege bei der Routenführung. Sondern vor allem wollen die Entwickler mit Hilfe ihrer elektronischen Zukunftsprognose Sprit sparen. Denn wenn das Auto weiß, wie die nächsten Kilometer aussehen, dann können Antrieb, Getriebe und Nebenaggregate speziell darauf abgestimmt werden. "Mehr Leistung auf Steigungen oder Autobahnauffahrten und weniger auf Gefällstrecken oder im Tempolimit", umreißt Winckler die Möglichkeiten dieses vorausschauenden Energiemanagements und stellt zwischen fünf bis zehn Prozent Verbrauchsvorteil in Aussicht.

Dummerweise haben Winckler und seine Kollegen lernen müssen, dass viele Autofahrer die Navigation gerade auf ihren Stammstrecken überhaupt nicht einschalten. So weiß zwar der Mensch, wo es hingeht, doch die Maschine hat keine Ahnung. Und weil aktuellen Studien zufolge immerhin 80 Prozent aller Fahrten einer Person zu nur jeweils fünf Zielen führen, haben die elektronischen Pfadfinder viel zu oft Pause um sie zum Sprit sparen zu nutzen, klagen die Entwickler.

Deshalb haben sie nun einen Algorithmus programmiert, der die Wissenslücken füllt. Für jeden einzelnen Fahrer, den "ilena" am Schlüssel, der Sitzposition oder auch am Mobiltelefon erkennen kann, erstellt sie ein detailliertes Bewegungsprofil. Sie speichert wer mit dem Auto an welchem Tag zu welcher Zeit auf welchem Weg zu welchem Ziel fährt und erkennt nach hunderten von Fahrten die Routine im Leben eines Autofahrers. So kann sie mit ständig wachsender Wahrscheinlichkeit die kommenden Ziele abschätzen: Wer in den letzten drei Wochen immer donnerstagabends ins Fitnessstudio fuhr, der wird es wohl diesen Donnerstag tun. Und der sonntägliche Weg zur Schwiegermutter ist ebenso erlernbar wie der Zwischenstopp bei der Grundschule, wenn die Sitzbelegungserkennung auf dem Weg ins Büro den Nachwuchs im Fond registriert.

Aber die Navigation lernt nicht nur ihren Fahrer kennen. Auch ihre Umgebung studiert sie mit Argusaugen. Wo die digitalen Karten noch Lücken haben, speichert sie Meter für Meter die Meereshöhe, die Steigung der Strecke und die Radien der Kurven. Selbst Geschwindigkeitsbegrenzungen werden mit einer Kamera erfasst und aufgezeichnet.

Diese Informationen können schon jetzt beim Sparen helfen. Doch wirklich spannend sind sie für künftige Hybridfahrzeuge. "Wenn wir eine zuverlässige Routenschätzung haben, dann können wir die Ladestrategie für die Akkus auf den bevorstehenden Weg abstimmen", sagt Winckler. Wann Strom zum Beschleunigen verbraucht oder beim Bremsen zurück gewonnen wird, dass entscheidet dann ein Blick aufs Streckenprofil. Denn es gibt kaum etwas dümmeres, als mit vollen Batterien eine Bassstraße hinunter zu rollen oder mit leerem Akku in eine verkehrsberuhigte Zone zu fahren.

Noch allerdings ist das alles Wunschdenken der Forscher. Im Prototypen funktioniert die Routenschätzung zwar schon mit einer Trefferquote von 70 bis 80 Prozent. Doch in der aktuellen Fahrzeuggeneration recht die Rechenleistung der Bordelektronik noch lange nicht aus, sagt Winckler. Außerdem seien die Steuergeräte von Motor, Getriebe und Nebenaggregaten noch nicht soweit, dass sie sich von der Navigation hineinreden lassen. Zwei, drei Jahre wird es deshalb noch mindestens dauern, bis ein BMW mit Intuition und Weitblick den richtigen Weg alleine findet.