München
Nächster Halt: Hochhaus

23.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Umstritten ist das geplante 75 Meter aufragende Hochhaus am Hauptbahnhof. Kultusminister Ludwig Spaenle nennt den Turm gar "monströs". ‹ŒIllustration: DB/Auer und Weber

München (DK) Die Bewegung bei der zweiten Stammstrecke könnte auch den Bahnhofsneubau in München vorantreiben. Doch insbesondere gegen ein 20-geschossiges Gebäude regt sich Widerstand.

Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten für die zweite Stammstrecke der S-Bahn in München beginnen. Damit könnte auch ein weiteres, eng damit verknüpftes Mammutprojekt Fahrt aufnehmen. Der Neubau des Hauptbahnhofes. Die Pläne dazu sind aber ebenfalls umstritten.

Seit vergangenem Oktober steht das Modell mitten in der großen Gleishalle des Münchner Hauptbahnhofs. Von den meisten Fahrgästen wird es kaum beachtet. Hin und wieder bleibt aber doch ein Passant stehen, um sich die Umbaupläne für den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt Bayerns anzusehen. "Sieht gar nicht so schlecht aus", sagt etwa eine junge Frau beim Blick auf die weiße Modelllandschaft, die den Hauptbahnhof der Zukunft zeigt.

Das Problem: Das sehen nicht alle so. Gegen die Neubaupläne des Bahnhofes und insbesondere gegen ein 20-geschossiges Hochhaus, das am Starnberger Flügelbahnhof im Norden des Komplexes entstehen und vor allem Büros beherbergen soll, formiert sich Widerstand. Prominenterster Kritiker ist Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), der den geplanten Turm als "monströs" und als "Störung für die Altstadtsilhouette" bezeichnet hat.

Die Debatte um Hochhäuser in München ist nicht neu. Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter fügte seinem Nachfolger Christian Ude (beide SPD) 2004 eine bittere Niederlage zu, indem er per Bürgerentscheid durchsetzte, dass kein Neubau die rund 100 Meter hohen Zwillingstürme der Frauenkirche überragen dürfe. Ude hatte heftig für höhere Bauten in der Landeshauptstadt geworben. Der Machtkampf wurde zur Auseinandersetzung Modernität gegen Tradition erklärt - am Ende gewannen die Befürworter eines Millionendorfs ohne Wolkenkratzer denkbar knapp. Daraufhin musste der Süddeutsche Verlag seine neue Zentrale im Münchner Osten um 46 Meter kürzen. Der Bürgerentscheid von 2004 ist zwar schon lange nicht mehr rechtlich bindend, an die 100-Meter-Marke hat sich trotzdem niemand mehr herangetraut.

Das ist nun auch beim Hauptbahnhof so, den derzeit pro Tag rund 420 000 Reisende nutzen. Nach den vorläufigen Plänen, die vor einem Jahr vom Stadtrat abgesegnet wurden, soll der Turm 75 Meter hoch werden. Eine Höhe, die bei der Stadt keine Bedenken wegen einer drohenden Silhouettenverschandelung hervorruft, denn von einem Wolkenkratzer sei man ja weit entfernt. Im Rathaus erkennt man in dem Projekt vielmehr eine Aufwertung der Bahnhofsregion. Denn das bisherige Empfangsgebäude ist in die Jahre gekommen und an vielen Stellen sanierungsbedürftig - es stammt aus den 50ern. Die Stadt, in der die CSU an der Regierung beteiligt ist, steht daher hinter dem Modernisierungsprojekt. Münchens CSU-Bezirkschef Spaenle, der wie auch andere Neubaugegner um ein Baudenkmal aus der Nachkriegszeit fürchtet, ist mit seiner Kritik daher auch in den eigenen Reihen auf viel Missfallen gestoßen.

Dabei sind die bisherigen Pläne noch gar nicht endgültig, wie Bahnsprecher Michael Baufeld auf Anfrage betonte. Die in den Entwürfen vorgesehene Glasfassade des Hochhauses etwa könnte noch verändert werden. Wann mit dem Bau der neuen Empfangshalle und des Hochhauses begonnen werden kann, ist bislang unklar. Nach der Konkretisierung der Pläne stehen noch Genehmigungsverfahren beim Eisenbahnbundesamt beziehungsweise der Stadt München an, die laut Bahn spätestens zu Beginn des kommenden Jahres beginnen sollen.

Zudem ist der Bahnhofsbau eng mit der weiteren Entwicklung der zweiten Stammstrecke verknüpft. Deren Bau soll nach dem Willen der Staatsregierung spätestens bis zum Ende des Jahres starten. In etwa zwei Jahren könnte dann mit dem Abriss eines Teils der bisherigen Schalterhalle begonnen werden, da für den Stammstreckenbau an dieser Stelle eine 40 mal 60 Quadratmeter große Baugrube ausgehoben werden müsse, sagte Baufeld und betonte: "Die Verzahnung der Baulogistik beider Projekte ist eine große Herausforderung. Zu viel gleichzeitig geht nicht." Im Moment sieht der Zeitplan vor, dass der neue Hauptbahnhof etwa drei Jahre nach der neuen Stammstrecke den Betrieb aufnehmen soll - das wäre nach derzeitigem Stand im Jahr 2028. Die Kosten sollen "im hohen dreistelligen Millionenbereich" liegen und zum größten Teil von der Bahn geschultert werden.

Allerdings muss nicht der gesamte derzeitige Bahnhofskomplex weichen. Die gläserne Dachkonstruktion in der Gleishalle bleibt erhalten und wird demnächst generalsaniert.