Kein felix Austria

23.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Es wird wohl so sein, dass Österreichs neuer sozialdemokratischer Kanzler Christian Kern das Zünglein war, welches bei der Wahl des Bundespräsidenten die Waage zugunsten des Grünen Alexander Van der Bellen kippen ließ.

Weil Kern in seiner Regierungserklärung vor wenigen Tagen das Ende der Selbstgefälligkeit und Tatenlosigkeit der großen Koalition aus SPÖ und ÖVP verkündete und rasche Reformen versprach, zog es letztendlich eine Handvoll Protestwählerinnen und -wähler weniger zum Populisten Norbert Hofer, als für dessen Sieg nötig gewesen wären. Das ist aber weder für Österreich noch für uns, seine Nachbarn, ein Grund zum Durchatmen.

Für das politische Österreich zeigt die Wahl seines Bundespräsidenten das katastrophale eigene Spiegelbild. Es offenbart den durch Entscheidungsschwäche und Vetternwirtschaft der großen Dauer-Koalition demolierten Zustand eines wirtschaftlich zurückfallenden und in Europa lavierenden Landes. Sein Wahlvolk ist gespalten. Als Quittung stimmte die Hälfte für die FPÖ, die etliche Demagogen und extrem Rechte in ihren Reihen hat. Für Bundespräsident Van der Bellen ist der Kampf gegen diese Spaltung wichtigster Auftrag.

In Deutschland sehen Politiker fast aller Parteien eine spiegelbildliche politische Entwicklung zum kleinen Nachbarland. Die Schwäche derer, die für sich in Anspruch nehmen, Volksparteien zu sein, treibt einen Teil des Volks den rechten Populisten zu. Auch wenn das in Deutschland bei Weitem noch keine 50 Prozent sind wie in Österreich, haben Ministerpräsident Horst Seehofer und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann recht, wenn sie von „Alarmsignal“ und „Warnsignal“ sprechen. Ein Alarm ist nämlich die deutlichste Form einer Anweisung zu schnellem Handeln. Die Wähler haben sie längst gegeben.