Wolnzach
"Nachhaltigkeit ist nicht neu"

Wirtschaftswissenschaftler Enste spricht bei Hopsteiner über Herausforderungen für die Landwirtschaft

02.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:50 Uhr
Prominenter Gastreferent beim Hopsteiner-Pflanzerforum: Dominik Enste, Professor am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. −Foto: Gebendorfer

Wolnzach/Mainburg - Neuigkeiten, Hopfenernte und -qualität sowie Aktuelles zum Hopfenmarkt - diese Themen haben das Hopsteiner-Pflanzerforum bestimmt. Einen weiteren Akzent setzte als prominenter Gastreferent Dominik Enste, Professor am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, mit dem Thema "Friday für Future - Ein etwas anderer Blick".

 

"Ich möchte Ihnen ein paar Daten und Fakten mitgeben, damit Sie sich künftig fundiert in die Diskussion in die Nachhaltigkeitsdebatte einbringen können", erklärte Dominik Enste vorab. Er erinnerte daran, dass die Nachhaltigkeit ein sehr altes Konzept aus der deutschen Forstwirtschaft darstellt und für Hopfenbauern auch kein neues Thema sei. "Panik ist der falsche Lösungsansatz", meinte der Wirtschaftswissenschaftler. "Klimaschutz ist nur eine von vielen Herausforderungen für die Welt genauso wie beispielsweise Hunger und Armut." Ökonomie könne einen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten. "Die Devise heißt: Herausforderungen gemeinsam mit Ökonomie, Ökologie und Sozialem angehen", betonte er und forderte gleichzeitig auch die Unternehmen auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Aber auch jeder Einzelne könne etwas tun: beispielsweise mit Daten und Fakten den Konflikt entschärfen. Dazu verdeutlichte der Referent anhand von Schaubildern, dass die Weltbevölkerung dramatisch gewachsen sei und ernährt werden müsse, die Lebenserwartung sowie der Wohlstand ordentlich zugenommen habe, gleichzeitig extreme Armut abgenommen habe, immer mehr Menschen Zugang zu Bildung haben und immer weniger Kinder in den ersten fünf Lebensjahren sterben. "Uns geht es also verdammt gut", fasste er das Gesagte zusammen.

Zweitens gab er zu bedenken, dass häufig Sachverhalte falsch wahrgenommen würden und dementsprechend verzerrt erschienen. "So werden oft Bad News zu Good News und keiner bemerkt es", so Enste. Drittens war er überzeugt, dass Nachhaltigkeit ein Thema bleiben werde und veränderte Anforderungen und Ansprüche ein Umdenken in der Gesellschaft erforderten. Deshalb empfahl der Redner, freiwillig und präventiv schrittweise Veränderungen anzustoßen - durch Innovation und Bereitschaft zum Wandel. "Nachhaltig handeln kann Spaß machen und muss nicht zwangsläufig Verzicht bedeuten", versicherte er.

Im Anschluss übernahm Hopsteiner-Geschäftsführer Pascal Piroué das Wort und zeigte auf, mit welchen Chancen, aber auch Herausforderungen die Hopfenwirtschaft in die Anbausaison startet. Beim Blick auf den Biermarkt wies er darauf hin, dass zwar die Weltbevölkerung stetig wachse, doch eine alternde Bevölkerung vor allem in Europa, den USA und Japan einen begrenzenden Einfluss auf den Bierkonsum habe. Als Wachstumsmärkte für Bier machte Piroué vor allem Afrika und Südamerika aus. Nach seiner Einschätzung steige die Anbaufläche weltweit auf 62500 Hektar, in den USA um 1000 Hektar, in Deutschland um 250 Hektar und in den übrigen Ländern um rund 200 Hektar - bei verschärften Rahmenbedingungen in Europa im Bereich Düngeverordnung und Pflanzenschutz. Die gute Nachricht sei, dass "mit intensiven Züchtungsaktivitäten im Hinblick auf Klima und Resistenzen in vielen Hopfen anbauenden Ländern die Initiative ergriffen wird ", so Piroué. Er berichtete vom Hopsteiner-Zuchtprogramm als Ergänzung zur staatlichen Züchtung. So wurden im Jahre 2019 die Aromasorten "Akoya" als Ersatz für "Perle" und die stark resistente Sorte "Solero" zur Anmeldung gebracht, weitere Sorten seien "in der Pipeline".

Vorausschauend auf die kommende Ernte gab Piroué zu bedenken, dass die Weltanbaufläche mit 62500 Hektar so groß ist wie seit 1997 nicht mehr. "Bei normalen Witterungsbedingungen hat diese Ernte das Potenzial, die größte Alpha-Ernte seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu werden", stellte er fest mit dem Hinweis, dass die Alphabilanz bereits für die Ernte 2019 einen deutlichen Überschuss ausweise. "Während sich die Erträge in den USA relativ stabil zeigen, machen uns in Deutschland regelmäßig klimatisch bedingte Alphasäure-Schwankungen Sorgen, die eine Voraussage relativieren." Positiv beurteilte Piroué die aktuelle Kontraktsituation.

Einkaufsleiter Martin Schöttl-Pichlmaier berichtete über den Verticillium-Welke-Versuch sowie einen dreijährigen Versuch mit effektiven Mikroorganismen. In Sachen Nachhaltigkeit im deutschen Hopfenanbau waren nach seinen Worten im Jahr 2019 412 Betriebe mit 48 Prozent der Gesamthopfenfläche vereint.

"Die Bäume werden nicht in den Himmel wachsen", meinte Geschäftsführer Joachim Gehde, der die Weltversorgungsbilanz und die Entwicklung in der Brauindustrie beleuchtete. Demnach wurde 2019 auf der Welt eine große Ernte mit 126270 Tonnen und 11000 Tonnen Alphasäure eingefahren. Der Jahresbedarf belief sich auf gut 9000 Tonnen Alphasäure. Weltweit nehmen Bitterhopfen 40 Prozent und Aromahopfen 60 Prozent der Flächen ein. "Hinsichtlich der Alphasäureschwankungen in Deutschland muss im Anbau mehr Stabilität das Ziel sein", betonte er.

Die Weltbierproduktion sei etwas gesunken. "Alles in allem herrschte bis 2015 eine Unterversorgung von Alphasäure, seit 2016 wird wieder über dem Bedarf des Braujahres produziert", so Gehde. Eine Konsolidierungsphase bemerkt er im Craft-Beer-Sektor, die US-Produktion decke sich zu 87 Prozent auch aus eigenem Anbau. Das Marktpotenzial sei aus deutscher Sicht hier also begrenzt.

gdh