Ingolstadt
Nach wie vor kein Geständnis im Haunwöhrer Mordfall

Neue Erklärung beim nächsten Termin in zwei Wochen? - Zeugin will Angeklagten im Haus des Opfers gesehen haben

27.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:41 Uhr
Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Stefan Roeder zu Prozessbeginn. Er trägt sein Haar jetzt nackenlang, will aber zum Zeitpunkt der ihm angelasteten Tat kürzere Haare gehabt haben. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Die Last der Beweise und Indizien ist bereits groß, doch im Mordprozess um den Tod einer 80-jährigem Frau im Ingolstädter Ortsteil Haunwöhr im vergangenen November hat der angeklagte 28-jährige Brasilianer entgegen Spekulationen nach dem vorigen Verhandlungstag an diesem Donnerstag keine neue Erklärung abgegeben. Wenn überhaupt, so hat sich Verteidiger Stefan Roeder entlocken lassen, wird das beim nächsten Termin am 14. September erfolgen.

 

Der Vorsitzende der 1. Strafkammer, Landgerichtsvizepräsident Konrad Kliegl, hatte am Ende des vorletzten Verhandlungstages an den Angeklagten appelliert, seine Verteidigungsstrategie zu überdenken. Wie berichtet, hatte der Südamerikaner, der seit 2003 in Deutschland lebt und zuletzt im Landkreis Eichstätt zu Hause war, die Tat zum Prozessauftakt in einer Verteidigererklärung bestritten und seither geschwiegen.

Nachdem sich durch die Beweisführung des Landeskriminalamtes inzwischen nicht mehr bestreiten lässt, dass der 28-Jährige - er hat an diesem Donnerstag Geburtstag - an der Tötung der Rentnerin zumindest beteiligt gewesen sein muss, dürfte sich die bisherige Verteidigungslinie des Angeklagten kaum mehr halten lassen. Das LKA hatte an zwei Beweisstücken am Tatort einen Fingerabdruck bzw. DNA-Spuren des zuletzt arbeitslosen Mannes nachgewiesen. Auch an einer Schmuckschatulle, die in einem Abfalleimer am Haus seiner Schwester gefunden worden war, hatten sich genetische Spuren von ihm und vom Opfer gefunden.

Für alle Beteiligten überraschend hat sich eine Haushaltshilfe des Opfers, die bereits Anfang der Woche als Zeugin vernommen worden war, erneut beim Gericht gemeldet und am Donnerstag ihre bisherige Aussage ergänzt. Demnach will sie am 7. November vorigen Jahres, also vier Tage vor der Ermordung der Witwe, den Angeklagten morgens kurz im Haus des späteren Opfers gesehen haben. Er sei dort in Arbeitskleidung offenbar mit Gartenarbeiten beschäftigt gewesen, habe zweimal mit schwerem Material gefüllte Eimer von draußen ins oder durchs Haus getragen.

Die Frau sprach in diesem Zusammenhang von einem Mann mit längeren gelockten Haaren, den sie nun im jetzigen Angeklagten wiedererkannt haben will. Diese Beobachtung sei ihr bei ihrer ersten Zeugenvernehmung vor Gericht nicht eingefallen, weil sie unter Konzentrationsstörungen leide.

Diese Aussage brachte den bislang stets ruhigen Angeklagten sichtlich in Wallung. Mehrfach bedeutete er durch Gesten, dass die Einlassungen der Zeugin nicht stimmen könnten. Auf Nachfrage des Gerichts bestritt er, in dem Haus gewesen zu sein. Er habe damals auch deutlich kürzere Haare gehabt als jetzt. Zum Beweis will er seinerzeit für die Ausländerbehörde entstandene Passbilder vorlegen. Auch eine kurz nach seiner Verhaftung von der Staatsanwaltschaft angeordnete Haarprobe des jungen Mannes hatte nur eine Strähne von etwa fünf Zentimetern ergeben - was nicht für langes Haar spricht.

Verteidiger Roeder bohrte bei der Zeugin energisch nach und will zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess den Polizeibeamten vernommen wissen, der damals die Aussagen der Haushaltshelferin protokolliert hatte. In der Niederschrift dieser Befragung findet sich kein Hinweis auf die jetzt von der Frau geschilderte angebliche Begegnung.

Ansonsten fuhr das Schwurgericht mit der Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen des LKA fort. Zur Sprache kam dabei auch die Beschaffenheit der Klebebänder, mit denen das Opfer gefesselt und mit denen sein Kopf umwickelt worden war.

Ein LKA-Gutachter sagte aus, dass das am Tatort gefundene Material von der Breite, Beschaffenheit und Farbe her mit dem Klebeband von einer Rolle aus dem Kofferraum eines Autos der Schwester des Angeklagten vergleichbar sei, dass es aber keine zueinander passenden Schnitt- oder Rissstellen an den beiden Bändern gebe. Mit dem Pkw soll der Angeklagte im Herbst vorigen Jahres häufiger unterwegs gewesen sein.

Insgesamt, so stellte sich nun bei der Beweisaufnahme heraus, hatte der Täter rund 24 Meter (!) Klebeband verwendet, um sein Opfer regelrecht einzuschnüren. Besonders stark war der Kopf umwickelt worden, bevor der Frau noch eine Plastiktüte über den Kopf gezogen worden war, die ebenfalls nochmals mit Klebeband befestigt worden war. Die Rentnerin war dem Obduktionsergebnis zufolge erstickt, nachdem sie zuvor auch schwere äußere Verletzungen durch stumpfe Gewalt erlitten hatte.

DK