Ingolstadt
Mordprozess in Haunwöhr: Spuren belasten den Angeklagten schwer

Fingerabdruck und DNA-Anhaftungen sind eindeutige Hinweise

25.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:41 Uhr
Insgesamt hatte die Ingolstädter Kripo am Tatort und am letzten Wohnsitz des Angeklagten rund 600 (!) einzelne mögliche DNA-Spuren gesichert, die zur Auswertung ans Landeskriminalamt gingen. Nur eine einzige solche Spur aus dem Haus des Opfers führt zum Angeklagten. −Foto: Richter/DK-Archiv

Ingolstadt - Vierter Tag im Strafprozess um die Ermordung einer 80-jährigen Witwe aus Haunwöhr - es war der Tag der Spurensicherung und der Spurenauswertung. Stundenlang hat die 1. Strafkammer des Ingolstädter Landgerichts am Dienstag Fotos vom Tatort und von der letzten Wohnstätte des angeklagten Brasilianers gesichtet sowie Sachverständige angehört. Wichtigste Erkenntnis: Das Landeskriminalamt (LKA) fand einen eindeutigen Fingerabdruck und zwei klare DNA-Spuren, die den Angeklagten schwer belasten.

Es ist ein Indizienprozess, in dem das Schwurgericht mittels Dutzender Zeugen und Hunderter Lichtbilder und Aktenvermerke ein Mosaik zusammensetzen muss, dessen Aussagekraft letztlich über Schuld oder Unschuld des jungen Mannes entscheiden wird, der da nun schon den vierten Tag mit einer aufgeschlagenen Bibel vor sich auf der Anklagebank gesessen hat. Der fast 28-Jährige - am Donnerstag, dem fünften Verhandlungstag, hat er Geburtstag - hat zum Prozessauftakt bestritten, für den grausamen Tod der Rentnerin verantwortlich zu sein. Seither schweigt er. Sprechen müssen jetzt die Indizien oder gar Beweise. Und die Beweispflicht hat das Schwurgericht.

Dieser Dienstag hat insofern einen weiteren Schlüsselmoment geliefert: Nachdem am zweiten Verhandlungstag bereits eine am Tatort aufgefundene Visitenkarte aus dem Eichstätter Landratsamt, die nur der Angeklagte besessen haben kann, als wichtiges Indiz in das Hauptverfahren eingeführt werden konnte (DK berichtete), sind nunmehr auch über das Münchner LKA weitere gewichtige Mosaiksteine hinzugekommen.

Ein Kriminologe der Landesbehörde berichtete dem Gericht von einem Fingerandruck auf einem Klebeband (silberfarbenes Panzertape), mit dem die Plastiktüte, die zum Erstickungstod des Opfers geführt hat, umwickelt war. Dieser Abdruck sei einem Zeigefinger des Angeklagten nach einer zusätzlichen zweiten Fingerabdrucksicherung "zweifelsfrei zuzuordnen", so der Experte.

Ein weiterer solcher Abdruck, der aber nicht für eine eindeutige Identifizierung ausgereicht hat, fand sich demnach auf einer Schmuckschatulle, die mit einiger Sicherheit aus dem Besitz der ermordeten Frau stammt und die in einer Abfalltonne am Haus der Schwester des Brasilianers im südlichen Landkreis Eichstätt gefunden worden war - wo er zuletzt gewohnt hatte.

Insgesamt, so der für die Spurensicherung am Haunwöhrer Tatort verantwortliche Ingolstädter Kriminalbeamte, hat der Täter im Keller des Einfamilienhauses, in dem die Witwe am Abend des 11. November vorigen Jahres brutal getötet worden war, wenige eigene Spuren hinterlassen. Die meisten dort und auf einer Treppe zur Garage vorgefundenen Blutlachen und Blutspritzer stammten naturgemäß vom Opfer selbst, die kleineren Anhaftungen am Boden und an Wänden und Gegenständen müssen aber allem Anschein nach vom Täter verteilt worden sein.

die zur Auswertung ans LKA gingen. Nur eine einzige solche Spur aus dem Haus des Opfers führt zum Angeklagten: an der schon erwähnten Visitenkarte, die im Eingangsbereich des Anwesens gefunden wurde. Allerdings gab es einen zweiten DNA-Nachweis an der oben erwähnten Schmuckschatulle. Hier fand sich Genmaterial sowohl des Opfers als auch des jungen Südamerikaners.

Auf Wunsch der Strafkammer und der Verteidigung müssen noch einige Asservate, die bislang nicht spurentechnisch untersucht wurden, vom LKA begutachtet werden, darunter eine Plastiktüte vom Tatort, in der sich mehrere andere Tüten befanden - möglicherweise auch jene, die dem Opfer über den Kopf gezogen wurde. Da das Gericht nach dem fünften Verhandlungstag am Donnerstag eine zweiwöchige Pause einlegt, könnte das bis Mitte September geschehen.

Vorsitzender Konrad Kliegl hat am Ende des vierten Tages von erheblichen Beweisen und Indizien gesprochen, die zumindest für eine Beteiligung des Angeklagten an der Ermordung der Witwe sprechen. Das mache die Mordanklage der Staatsanwaltschaft "plausibel". Dem Angeklagten empfahl der Richter, seine Verteidigungsstrategie zu überdenken - es sei jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.

DK