Ingolstadt
Mut zum Neuen

Kunststücke: Werke von Susanne Pohl, Stefan Wanzl-Lawrence und Richard Gruber in der Ingolstädter Harderbastei

17.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:38 Uhr
  −Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Figuren im Raum, die meisten in Bewegung, manche aber auch am Boden kauernd, die Arme um die Knie geschlungen, die einen lächelnd, die anderen ernst, verträumt oder ablehnend - es gibt unendlich viel zu entdecken auf den 116 quadratischen Zeichnungen von Susanne Pohl und Stefan Wanzl-Lawrence in der Harderbastei.

 


Richard Grubers ausdrucksstarke, mit scharfsinniger Beobachtungsgabe und feiner Ironie in Bronze, Wachs, Lindenholz, Gips oder Polymergips gebannte Charaktere korrespondieren damit kongenial. Nicht nur, aber ganz besonders, wenn sich der Hörzhausener Bildhauer die gezeichneten Figuren der beiden Maler und Grafiker aus Neuburg zur Vorlage nimmt. Der genehmigte Ideenklau bringt neue Perspektiven, wenn Gruber die zweidimensionale Zeichnung in die Dreidimensionalität bringt. Wie der Rote Baron, den es in gelbem und rotem Wachs zu sehen gibt. Vorlage war eine Zeichnung, die Wanzl-Lawrence Gruber einst schenkte - weshalb sie unverkäuflich ist. "Rosi Love" wiederum ist der "Verlockung" entsprungen.

Grubers 69 Skulpturen beleben den Raum. Sie sitzen auf Simsen, manche agieren miteinander wie "Müllers Kuh, Sie & Müllers Kuh, Er" oder mit dem Betrachter wie der Grame Grantler, dem sein Schöpfer die knurrige Frage "Was wollen Sie? " in den Titel geschrieben, sprich in den Mund gelegt hat. Die Ausstellung in der Harderbastei wirkt für sich selbst als weiteres Kunstwerk, so harmonisch-ganzheitlich ist der Eindruck, der den Betrachter beim Betreten der Galerie überkommt.

 

Die 40 mal 40 Zentimeter großen quadratischen Zeichnungen, die Pohl und Wanzl-Lawrence gemeinsam und gleichzeitig aufs Blatt bringen, stecken voller Emotionen, die aber erst bei näherer Betrachtung zutage treten. Von Ferne wirken sie wie ein Gesamtkunststück aus zarten Linien, überwiegend Schwarz-Weiß, teils mit Farbakzenten. Dass sie von zwei Künstlern, die gleichzeitig miteinander an einem Blatt arbeiten, sozusagen aus dem Bauch heraus entstanden sind, ist ihnen nicht anzusehen.

Wer was wo gezeichnet hat, wissen die beiden später oft selbst nicht mehr zuzuordnen. "Jeder geht mit seinen Emotionen rein", erklärt Wanzl-Lawrence, "die können ähnlich oder ganz unterschiedlich sein. " Manchmal seien beide explosiv drauf, mal ziehe der eine den anderen rauf oder auch runter, verrät er. Zentrales Thema bleibt immer die Figur im Raum. Dabei spielen die Künstler mit Vielschichtigkeit und Kontextualität, lassen die Figuren in einen anderen Kontext ausstrahlen und definieren sie so neu. "Wir schaffen neue Räume und Strukturen sowie eine neue Individualität", sagt Pohl. Voraussetzung für die vierhändige Improvisation ist tiefes gegenseitiges Vertrauen, sonst wäre es wohl kaum auszuhalten, wenn der andere die eigenen, gerade geschaffenen Linien weiterzeichnet oder sogar übermalt. In gleich improvisierter Arbeitsweise sind die Großformate in Öl oder Acryl auf Leinwand entstanden, die in ihrer farbigen Expressivität viel weiter in den Raum hineinstrahlen. Anziehend in der dezenten creme-bleu Farbgebung erscheint "Anemoi" - der zweite Blick entlarvt den harmonischen Eindruck, wenn er auf die gefangene Frau fällt, die sich mit ihren Händen zu schützen versucht. Sommerlich-heiter dagegen die "Gartenfrüchtchen".

Manche Zeichnungen erschließen sich dem Betrachter relativ schnell, zumal die oft sprechenden Titel hilfreich sind, zum Beispiel "Unterkunft" oder "Die Gärtnerin". Dagegen geben "Schmetterlinge" durchaus Rätsel auf. Die Wissenschaft witzig aufs Korn nimmt "Forscher finden Antwort auf Kleid". Wobei der Mann unter, nicht auf dem Kleid sucht. Den Künstlern gelingt das Spiel mit Figürlichem und Abstraktem, mit Absurditäten, Witz und Ironie, was sich im gewollt verwirrenden Titel "Mutz urf Igur" spiegelt. Mut zur Figur, ja den haben alle drei, ebenso Mut zum Neuen, Mut zum Humor und Mut zur Kommunikation. Zeit sollten die Besucher der Ausstellung mitbringen, denn diese Werke fordern dazu heraus, sie in ihrer Vielschichtigkeit zu ergründen, sich näher auf sie einzulassen. Ein einfaches Vorbeigehen und "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht", wäre zu kurz gesprungen. So leicht machen es weder Bildhauer noch Zeichner dem Betrachter.

Harderbastei, bis 6. Oktober. Geöffnet Jeweils donnerstags und freitags von 16 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 20 Uhr. Am 29. September Kunstrundgang mit den drei Künstlern um 18 Uhr.

Andrea Hammerl