München
Mut der Verzweiflung

Die gelungene ARD-Tragikomödie "Nichts zu verlieren"

28.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:55 Uhr
Richy (Georg Friedrich) denkt nach. Er braucht jetzt dringend ein Fluchtauto. −Foto: BR/Lieblingsfilm & Royal Pony Film/Meike Birck

München (DK) "Kann man über Tod und Trauer einen komödiantischen Film drehen?

Man muss! ", sagt der österreichische Regisseur Wolfgang Murnberger ("Das ewige Leben"): "Wenn man sich zwischen den beiden Strategien, Lachen oder Beten, die es zu deren Bewältigung gibt, entscheiden muss, entscheide ich mich lieber für das Lachen, solang ich noch kann! " Und lachen kann man in der Tragikomödie "Nichts zu verlieren".

Drei Einbrechern räumen den Tresor in einer Villa aus. Auf der Flucht fügt einer aus dem Trio seinem Kollegen aus Versehen eine Schusswunde zu. Der Verletzte rettet sich mit einem Komplizen in einen alten Reisebus und nimmt die Insassen als Geißeln. Die verhalten sich äußerst merkwürdig, sie sind so gar nicht ängstlich. Bald wird den Kidnappern klar, dass sie es mit Trauernden zu tun haben, die auf dieser Reise unter Führung der Therapeutin Irma lernen wollen, mit ihrem Verlust und ihrem Schmerz umzugehen.

Solche Trauerreisen gibt es wirklich. Aber was passiert, wenn Einbrecher auf der Flucht die Trauernden als Geißeln nehmen, und diese sich komplett anders verhalten als erwartet, weil sie nichts zu verlieren haben? Dieser Dreh bietet Platz für neue Konstellationen und Situationskomik, denn traurig und lustig liegen ja oft sehr eng beieinander.

Drehbuchautorin Ruth Thoma hat diese Geschichte entwickelt, Regisseur Murnberger bringt den Schmäh hinein. Und so wird aus einer zutiefst traurigen Story ein heiter-witziger, aber auch nachdenklich stimmender Film. Nicht zuletzt weil die gewählte Extremsituation das übliche Verhalten so verändert, dass sich daraus eine besondere Dynamik entfaltet. Nur langsam erfährt der Zuschauer, worum es bei der Reise geht und was jeder einzelne Teilnehmer da zu verarbeiten hat. Im Bus sitzen die Protagonisten jeweils allein in einer Reihe, auf dem Platz daneben erscheint jedem im Lauf des Films sein geliebter Partner, den er verloren hat. Eine gelungener, emotionaler Kniff von Murnberger.

"Nichts zu verlieren" ist ein überzeugender Ensemblefilm: Lisa Wagner als "Reiseleiterin", Susanne Wolf, Emily Cox, Johanna Gastdorf, Bernhard Schütz als Trauernde, Christopher Schärf als kleiner Ganove.

Doch einer ragt heraus: Georg Friedrich ("Wilde Maus") als Richy. Es ist ein wahrer Genuss und ein echtes Vergnügen, ihm zuzusehen. Mit bestem Wiener Schmäh und einer ordentlichen Portion Bissigkeit ("So eine Trauerreise würde ich nicht mal als Toter aushalten") spielt er diesen sympathischen "Bösen" in einem Film, der trotz der Dramatik der Geißelnahme einen wunderbar unaufgeregten Fluss und leichten Ton hat. Eine Tragikomödie über das Leben, den Tod und darüber, wie am Ende doch alles wieder zu einem neuen Anfang führt.

Das Erste, Mittwoch, 20.15 Uhr.

Volker Bergmeister