Regensburg
Museum mit Spezialauftrag

Als Mittler zu den östlichen Nachbarn wurde vor 50 Jahren die Ostdeutsche Galerie in Regensburg gegründet

16.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:02 Uhr

Hingucker: Die knallrote Säuleninstallation von Magdalena Jetelová prägt seit 2006 das Erscheinungsbild des Kunstforums Ostdeutsche Galerie in Regensburg. Im Innern des Museums ist eine Fülle hochkarätiger Exponate zu sehen. - Foto: Wolfram Schmidt/Kunstforum Ostdeutsche Galerie

Regensburg (DK) Ein Großereignis jagt das nächste. Vor nicht einmal vier Wochen wurde im Kunstforum Ostdeutsche Galerie (KOG) Regensburg der diesjährige Lovis-Corinth-Preis an Daniel Spoerri verliehen, nun wird Jubiläum gefeiert. Mit Vorträgen und Führungen, mit vier Tagen freiem Eintritt. 50 Jahre gibt es die Stiftung Ostdeutsche Galerie bereits, das Museum mit einer großen und ständig wachsenden Sammlung und vielseitigen Ausstellungen internationaler Künstler seit 46 Jahren.

Die Regensburger schätzen ihr im Stadtpark gelegenes Museum, nennen es einfach "die Ostdeutsche". Es gibt einen engagierten Freundes- und Förderkreis, weitere Unterstützer, ein gut und gerne genutztes abwechslungsreiches Angebot an Führungen und museumspädagogischen Programmen. Anziehungspunkt und Treffpunkt ist auch das "Museum im Freien", 14 im Grünen aufgestellte Plastiken und Skulpturen. "Als Ort der Kunst ist unser Haus schon lange im Bewusstsein der Regensburger verwurzelt", sagt die Direktorin, die promovierte Kunsthistorikerin Agnes Tieze. 1910 wurde die ehemalige Turnhalle für die Oberpfälzer Kreisausstellung erstmals zur Kunsthalle umgebaut. Seit Kriegsende wird diese als Museum genutzt. Nach der Gründung der Stiftung wurde das prächtige klassizistische Gebäude erweitert und umgebaut. Seit 2006 ist sein unverwechselbares Kennzeichen die originelle Installation von Magdalena Jetelová, die mit den knallroten Säulen den Portikus in Bewegung, zum Tanzen, bringt. Ein echter Hingucker.

Die gibt es auch zuhauf im Museum und im Depot. Eine immense Sammlung hochkarätiger Exponate: 2000 Gemälde, 500 Bildwerke und 30 000 Papierarbeiten von der Romantik bis zur Gegenwart, darunter Werke von Lovis Corinth, Käthe Kollwitz, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller, Ludwig Meidner, Lyonel Feininger und Oskar Kokoschka, aber auch Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Katharina Sieverding. Einen engen Bezug zu einem in Ingolstadt lebenden Künstler gibt es auch. Ben Muthofer stiftete 2009 mehr als 160 Werke im Wert von damals etwa 200 000 Euro. Zum Bedauern der Stadt Ingolstadt und zur Freude der Regensburger. Das Museum verfügt damit über die weltweit größte Muthofer-Sammlung.

Das KOG ist als Museum mit Spezialauftrag einzigartig, seine Entstehungsgeschichte ebenfalls. Die 1966 gegründete Stiftung - unter anderem mit Bund, Freistaat und Stadt Regensburg - hatte den Auftrag, das kulturelle Erbe der ehemals deutsch geprägten Gebiete in Osteuropa - Böhmen, Mähren, Schlesien, Ost- und Westpreußen - zu bewahren. Der Bund und Bayern waren dem bis heute geltenden Paragrafen 96 des Bundesvertriebenengesetzes verpflichtet, "das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten".

Und so wurden die Galerie zeitgenössischer Kunst Oberbayerns und die sudentendeutsche Galerie gebündelt, außerdem waren der Adalbert-Stifter-Verein und die Künstlergilde Esslingen - so etwas wie eine Selbsthilfeorganisation für vertriebene und geflüchtete Künstler und seit 1974 Initiator des Lovis-Corinth-Preises - maßgeblich an der Entstehung beteiligt und im Stiftungsrat vertreten. Die Idee sei darüber hinaus auch gewesen, "Mittler zu den östlichen Nachbarn zu sein", so Museumschefin Agnes Tieze. "Man sprach damals von der Verbindung zwischen dem ,Donauraum und dem Moldauland'."

Die Zeiten haben sich verändert und das Museum mit ihnen: Ende des Kalten Kriegs, Mauerfall, die Erweiterung der Europäischen Union. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, so Agnes Tieze, sei die Mittlerfunktion von damals, diese Vision, der Dialog, tatsächlich umsetzbar und lebbar geworden. Grenzüberschreitende Projekte, Forschungen, Ausstellungen folgten und sollen, so Tieze, Richtung Osten noch erweitert werden. Und vor allem soll sich der Blick auf die Gegenwartskunst verstärken. Die Umbenennung 2003 in Kunstforum Ostdeutsche Galerie war ein bewusstes Zeichen für den Wandel und betonte das Ziel, Plattform für die Kunst des östlichen Mitteleuropas zu sein.

Etwa 40 000 Besucher kommen jährlich in das Haus. Agnes Tieze und ihr Team wollen diese Zahlen weiter steigern. Das museumspädagogische Angebot soll ausgeweitet werden und eine Besuchergruppe verstärkt zu Ausstellungsbesuchen animiert werden: junge Erwachsene und Studierende. Gibt es Wünsche zum Jubiläum? Derzeit wird das Dach saniert, Agnes Tieze setzt auf den zweiten und dritten Sanierungsabschnitt. Außerdem wären mehr Platz für die Museumspädagogik, ein Café und ein Museumsshop für die Weiterentwicklung des Hauses wichtig. Für die Direktorin bedeutet das Museum "einen lebendigen und kreativen Ort der Erinnerung, um die Zukunft mitgestalten zu können". Und sie sieht "großes Entwicklungspotenzial". Nicht trotz, sondern dank des Sonderauftrages.