Hohenwart
Mund- und Nasenschutz mit Medaillenbändern

Sportler während der Coronavirus-Zwangspause (18): Triathlon-Weltmeisterin Nicole Bretting

15.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:38 Uhr
So kennt man die Welt- und Europameisterin normalerweise: gut gelaunt zum Beispiel auf einer Laufstrecke. −Foto: Archiv

Hohenwart - Am Dienstagabend folgte die zweite Runde.

 

Nein, nicht auf dem Rennrad oder mit Laufschuhen auf den Straßen rund um Hohenwart. Ebenso wenig in Schwimmkleidung irgendwo kraulend im Wasser, wie bei ihr ansonsten üblich. Kurzum: Intensiv für diverse Triathlonwettbewerbe zu trainieren, das geht aufgrund der Corona-Krise aktuell nicht für Nicole Bretting. Beziehungsweise sie hat auch keine besondere Lust darauf - "weil Sport einfach eine Belastung für den Körper ist, und in der jetzigen Zeit braucht man sein Immunsystem wirklich nicht unnötig herunterzufahren", betont die 48-Jährige.

Stattdessen saß sie nun eben zum zweiten Mal in ihrem Bewegungstherapiezimmer - und fertigte in Handarbeit Mund- und Nasenschutzmasken für sich sowie ihre gesamte Familie an. "Zunächst habe ich noch ein bisschen überlegen müssen, wie die Nähmaschine überhaupt funktioniert, aber mittlerweile klappt's ganz gut", verrät die Ironman-Weltmeisterin aus dem Jahr 2014 sowie mehrmalige Europameisterin mit einem Grinsen im Gesicht. Zwölf Schutzmasken habe sie beim ersten Mal angefertigt - in sechs Stunden. Jetzt musste die Hohenwarterin aufgrund des hohen Bedarfs nachlegen - wobei jedes einzelne von ihren Exemplaren etwas ganz Exklusives darstellt, denn all die Bänder hierfür stammen von einst gewonnenen Medaillen. "Für den Stoff über Mund und Nase musste zudem das Shirt von einem früheren Schliersee-Triathlon dran glauben", verrät Bretting. Also nur gut, dass sie in der Vergangenheit immer so fleißig an Wettbewerben teilgenommen hat und hierbei extrem erfolgreich gewesen war.

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Heuer jedoch dürften wohl kaum noch weitere Siegerplaketten (inklusive Bänder) dazukommen - weil mittlerweile so gut wie alle interessanten Konkurrenzen abgesagt worden sind. Darunter auch der eigentliche Saisonhöhepunkt für die Hohenwarterin, der "Austria eXtreme Triathlon", der am 27. Juni in der Steiermark hätte stattfinden sollen. 3,8 Kilometer Schwimmen in der Mur, unterteilt in zwei Kilometer flussabwärts und 1,8 Kilometer flussaufwärts, hätte es hier zum Auftakt gegeben, gefolgt von 186,6 Kilometern mit dem Rad durch das umliegende Gebirge mit 3860 Höhenmetern - ehe es zum Schluss noch einen 43,6-Kilometer-Lauf mit 1960 Höhenmetern bis an die Talstation am Dachstein gegeben hätte. Die Veranstalter bezeichnen ihren Wettkampf alljährlich ganz unbescheiden als "härte-sten Triathlon der Welt" - und da ist zweifellos etwas dran.

Bretting hatte sich ursprünglich sehr darauf gefreut. Aber mittlerweile meint auch sie, dass die Absage des Rennens 2020 "definitiv das Vernünftig-ste" sei. "Alle Bäder sind momentan gesperrt - und auch ein Kurztrip vorher in die Steiermark, um dort die Pässe kennenzulernen, ist derzeit nicht erlaubt", weiß die 48-Jährige: "Folglich wäre ein sinnvolles Training für diesen knallharten Wettbewerb überhaupt nicht möglich gewesen. " Und dann nur mal so nach Österreich zu fahren, um dort einfach teilzunehmen, dafür sei sie definitiv nicht der Typ: "Wäre keine offizielle Absage gekommen, hätte ich wohl von mir aus auf einen Start verzichtet. Entweder kann wirklich Leistung bringen, oder ich lasse es lieber. "

 

Ja, Bretting ist normalerweise extrem ehrgeizig. Aber sie weiß die aktuelle Lage auch sehr realistisch einzuschätzen und versucht, mit gutem Beispiel voranzugehen. "Es geht momentan nicht um mich und meine Ziele - sondern darum, dass unser Gesundheitssystem aufgrund der Corona-Krise nicht überfordert wird", so die Hohenwarterin: "Höher, schneller, weiter - das geht eben nicht immer. Vielleicht verstehen wir das alle nun mal, eventuell kommen wir sogar alle wieder auf ein Normalmaß runter. "

Für sie konkret bedeutet das eben: kein übertriebenes Training derzeit. "Ich tue zwar ein bisschen was, fahre ein bisschen mit dem Rennrad oder Mountainbike - aber damit ist's schon gut. " Das über Ostern eigentlich geplante Trainingslager in Istrien hatten die Brettings schon vor Wochen abgesagt. Stattdessen bemühen sich Nicole und ihr Ehemann Reinhard, ihre Freizeit anderweitig zu genießen und sich die Laune nicht von irgendwelchen Ausgangsbeschränkungen vermiesen zu lassen.

Aber nicht nur in Sachen Sportwettkämpfe, sondern auch in ihrem Job als Bewegungstherapeutin ist die 48-Jährige aktuell zum Nichtstun verurteilt. "Der liegt derzeit auf Eis - was auch absolut richtig ist, denn ich würde den Leuten bei der Behandlung schon sehr nah kommen", berichtet sie. Ebenso ist ihre Prüfung zur Heilpraktikerin verschoben worden - und doch war die Hohenwarterin zuletzt nicht untätig, wie sie stolz vermeldet: "Wenigstens die Abschlussarbeit für mein Ernährungsstudium ist gerade fertig geworden. "

Und was wäre jetzt, wenn die Brettings rein zufällig ein Schwimmbad mit Gegenstromanlage auf dem eigenen Grundstück hätten? Würde es Nicole dann dem großen Jan Frodeno gleichtun, der am vergangenen Wochenende einfach mal einen Ironman zu Hause absolvierte? Die Hohenwarterin lacht: "Nein, gewiss nicht. " Die Aktion des dreimaligen Hawaii-Triathlon-Siegers findet sie trotzdem lobenswert - schließlich sei dadurch viel Geld für wohltätige Zwecke gesammelt worden. "Außerdem ist man aktuell für jede Abwechslung dankbar", so die 48-Jährige. Was für sie eventuell bedeutet: Bald auf zur dritten Runde an der Nähmaschine! Schutzmasken kann man in der jetzigen Zeit ja definitiv nicht genug haben.

SZ

Roland Kaufmann