Münchner Malstil in ganz Europa

10.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:41 Uhr

Gabriel von Max: Äffchen mit Zitrone, 1890. - Foto: Haus der Kunst

München (DK) Ein Rückblick auf die Kunstausbildung in München ist, wenn er so gemacht wird wie im Haus der Kunst, eine spannende Sache. Denn Kurator León Krempel hat es geschafft, mit nur hundert Exponaten einen Parcours durch 200 Jahre Münchner Kunstakademie zu reiten ohne zu langweilen. Der Schwerpunkt der Schau liegt – allein schon wegen der Formate – auf der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts.

Ein Rundgang durch die Schau beschert Aha-Erlebnisse, mit denen man nicht gerechnet hat. Denn was man hier zu sehen bekommt, erscheint auf den ersten Blick ein Leibl, ein Defregger, ein Stuck zu sein – und ist es doch nicht.

Vielmehr tauchen neben vielen Bildern uns unbekannte polnische oder ungarische Namen auf. Und auch das Dargestellte verwirrt. Es sind Helden, die sich in den Tod stürzen, Frauen in Kirchenbänken oder Männer auf Schlachtfeldern – nur sagen uns die Titel mit Ortsnamen, Legenden und historischen Ereignissen wenig. "Man kennt die Handschrift, die Malweise – aber nicht die Geschichte dazu!" So bringt Walter Grasskamp diese Seherfahrung auf den Punkt. Unverkennbar ist, dass die Maler in München studiert haben, hier ihre Technik bei Professoren wie Johann Georg von Dillis, Wilhelm von Kobell, Peter von Cornelius und Karl von Piloty gelernt haben. Und was sie malten, gehört zu den Prunkstücken ihrer Heimatmuseen, in Dänemark oder Norwegen, in Ungarn oder Polen.

So lernt der Besucher, dass der Einfluss der Münchner Akademie weit reichte, von Nordamerika bis Bulgarien. "Wir stehen am Beginn einer europäischen Kunstgeschichtsschreibung", so Grasskamp. Allzu lange hat man den Blick auf Italien, Frankreich und Deutschland gerichtet – und die Wirkung Münchner Professoren im gesamten Europa des 19. Jahrhunderts nicht wahrgenommen. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist dieser Blick überhaupt möglich – jetzt aber um so notwendiger.

Zu den Grundsätzen, wie sie die Gründungsurkunde der Akademie beschreibt, gehört: "Kein bestimmter Lehrplan, kein gleichförmiger Mechanismus." Das wirkt modern, und so hat man sich auch bei der Retrospektive vorgenommen, in alle Richtungen der Vergangenheit zu blicken. Ein eigenes Thema sind die Frauen, die in München zunächst in allen Fächern – sogar in Aktmalerei – ausgebildet werden, aber sich dann von 1840 bis 1920 wie an allen europäischen Akademien nicht mehr einschreiben konnten. Dabei wurde eine der glücklichen Münchner Kunststudentinnen 1823 sogar Kustodin der Weimarer Gemäldegalerie – eine einmalige Karriere damals.

Zu dem Blick in alle Richtungen der Vergangenheit gehört auch das Kapitel "Nationalsozialismus". Die Hitler-Büste von Bernhard Bleeker, gefertigt in der Gießerei der Akademie, hat das Bayerische Armeemuseum Ingolstadt ausgeliehen, und Hermann Kaspars Entwurf für den Festzug "2000 Jahre deutsche Kultur" liegt da aus, wo man damals das "Haus der Deutschen Kunst" eröffnete.

Kurz und bündig ist der Blick auf die Moderne des 20. Jahrhunderts. Eine kleine Skizze von Franz Marc oder ein Wandschirm von Paul Klee können diese Periode nur unvollkommen anreißen. Aber in vielen Fällen helfen die ausführlichen Bild- und Biografietexte weiter.

"Die Kraftprobe", eine deftige Genreszene des Franz von Defregger, gab dieser Ausstellung den ironisch gemeinten Titel. In der Malkunst haben die Schüler diese Probe bestanden. Ihre Historienbilder spiegelten europaweit einen erstarkenden Nationalismus, der sich nur in Deutschland zum Nationalsozialismus pervertierte.

Münchner Haus der Kunst, bis 31. August, täglich von 10 bis 20 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr.