Ingolstadt
Mozart in perfekter Harmonie

14.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:01 Uhr

Expressiv gestaltend: Alfredo Perl fand für Mozart eine durchwegs stimmige Interpretation. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) "Ein Stück aus dem Klangstrom des Kosmos heraus schneiden. . . ": Diese Worte des 1995 verstorbenen koreanischen Komponisten Isang Yun beschreiben sehr gut seine Kammersinfonie I. Verstärkt durch Bläser und Pauke interpretierte das Georgische Kammerorchester unter Dirigent Ariel Zuckermann gleich zu Beginn mit sensibler Hingabe dieses dramatische Werk voller Düsternis und Wehklagen.

Instrumentale Aufschreie flackern über depressiver Grundstimmung, weder östliche noch westliche Einflüsse gewinnen die Oberhand. Yuns Musik scheint wie ein Ringen musikalischer Mentalitäten.Durchmischt mit langen Einzeltönen (ein typisch asiatisches Stilmittel), die einerseits einen längeren Melodieverlauf nicht zulassen, andererseits mit ihren Schwingungen, ihrem Schwirren, kontinuierlich für eine Atmosphäre sorgen, die als Brücke zwischen östlichem und europäischem Musikverständnis dienen könnte. Doch wirkt Yuns Absicht, seine Musik, "in der es weder Ost noch West gibt", kosmisch fließen zu lassen, zwischendurch akademisch. Es fehlt der emotionale Boden, auf dem sich die Dynamik der Gegensätze entfalten kann.

Welch ein Ausbruch an überschäumender Lebensfreude dagegen in Franz Schrekers Scherzo für Streichorchester (1900), in dem man Anklänge mehrerer Komponisten zu hören glaubt: Brahms, Wagner und Mahler; wobei letzter eine Zeit lang vom selben Lehrer wie Schreker unterrichtet worden war. Das Scherzo lebt von üppigen, aneinander gereihten Klängen ohne motivische Beigaben, die wie fiebrig mit großer Farbigkeit und Schlagkraft das Publikum in den Zauber eines endlich erwachenden Frühlings bannen: Fulminanter Wohlklang.

Die beiden Hauptwerke des Abends aber gehörten diesmal Mozarts beliebtem Klavierkonzert KV 466 in d-moll und der so genannten Linzer Sinfonie in C-Dur – und einem international renommierten Pianisten. Alfredo Perl präsentierte einen in sich stimmigen Mozart, verträumt und edel, die Verspieltheit seiner Komponierlust feinsinnig auslotend.

Expressiven Gestaltungssinn bewies der Pianist in der virtuosen Beethoven-Kadenz, die deutliche Spuren Beethovenscher Improvisationskunst aufweist. Der zweite Satz, Romance, lebte von Perls inniger, fast intimer Interpretation und seidigen Mozart-eigenen Wendungen, die ein brillant begleitendes Orchester in perfekter Harmonie mit dem Solisten zu spielen wusste. Im allegro assai, dem rhythmisch und instrumental packenden dritten Satz, fehlte es anfangs ein wenig an solistischer Präsenz – akzentuierter hätte man sich die ersten Takte gewünscht, mehr aus der Fülle dynamischer Schattierungen geschöpft – und seitens des Orchesters hatte Zuckermann mit kleinen Tempo-Irritationen zu kämpfen. Grandios aber gelang die Linzer Sinfonie.

Einem Höhenflug gleich steigerte sich über vier von differenzierten Stimmungen geprägte Sätze die Intensität der musikalisch glänzend agierenden Musiker. Im Finale pulsierte präzis phrasierte Mozartsche Klangkultur.

Als hätte Zuckermann, wieder einmal schillernder Vermittler zwischen den Welten, die unausgesprochenen Wünsche des begeisterten Publikums erraten, wiederholte er das Finale kurzerhand als Zugabe.