Frankfurt
Monströse Welten in Miniaturformat

Künstlerduo Nathalie Djurberg & Hans Berg stellt in der Schirn in Frankfurt aus - Erste Überblicksschau in Deutschland

15.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:01 Uhr
Bizarre Knetgummi-Welten: Ausschnitte aus den Videofilmen "Dark side of the moon" (oben), "Worship" (links) und "One need not be a house the brain has corridors". −Foto: Djurberg & Berg/VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Frankfurt (DK) Die meisten Filme sind nichts für Zartbesaitete. Nichts für Kinder allemal, auch wenn manche Eltern ihren Nachwuchs - trotz einer Altersempfehlung - mit in die Ausstellung nehmen und die Mädchen und Buben dann doch schnell von den Filmen wegzerren.

Die Knetgummifiguren von Nathalie Djurberg und Hans Berg sind nicht niedlich, nicht versöhnlich, selten witzig. Die Gestalten und Geschehnisse sind abgründig, verstörend, erschreckend, suggestiv. Es geht um Sex und Gewalt, um Macht und Missbrauch, um Aggression und Perversion. Es sind monströse Situationen im Miniaturformat. Es sind Tabubrüche und Obsessionen, die im vermeintlich spielerischen Medium daherkommen. Puppentheater der anderen Art.

Da vergeht sich ein Geistlicher an einer Frau, da kriechen Kinder in den Mutterleib zurück, da wachsen mysteriöse Gestalten, entwickeln sich erotisierende Albtraumwelten, Garten mit großen Pflanzen, ein blühendes Labyrinth des Grauens. Themen sind aber auch soziales Miteinander oder Natur.

Die Schirn in Frankfurt zeigt erstmals in Deutschland eine große Werkschau des schwedischen Künstlerduos. 40 raumgreifende Installationen und Video- und Soundarbeiten der vergangenen zwei Jahrzehnte sind zu sehen. Farbenprächtige Welten, psychologisch aufgeheizt, enorm verdichtet . Einzigartig in dieser Art. Ausgestellt sind auch frühe Arbeiten, animierte Kohlezeichnungen von Djurberg. Erst ab 2004 wurden die Puppen aus Knetmasse, Ton, Textil und Kunsthaar durch die wundersamen, hypnotischen und sphärischen Kompositionen von Hans Berg ergänzt. 2006 sind die Stop-Motion-Filme auf der Berlin-Biennale aufgefallen, 2009 tauchte das Künstlerpaar erstmals international auf der Biennale in Venedig auf und bekam für ihre Installation "The Experiment" auch gleich den Silbernen Löwen verliehen. Skulpturen überdimensionaler Blumen und seltsamer Urwesen werden darin von drei Filmen mit den Titeln "Forest", "Cave" und "Greed" begleitet. Im Zusammenspiel lassen diese Assoziationen an einen Garten der Lüste oder eine Unterwelt ohne Regeln zu. Djurberg und Berg wurden damals schon für ihren schwarzen Humor und ihre bühnenreifen Installationen gefeiert.

Neu in der Schirn zu sehen sind die Arbeiten in Virtual Reality. Der Besucher wird Teil einer Märchenwelt, fürchtet sich vor den Djurberg-Figuren, freundet sich mit dem bösen Wolf an und raucht mit ihm gemütlich ein Zigarettchen.

Es gehe ihr, so beschriebt die Künstlerin selbst, um "die Komplexität des menschlichen Verlangens, das zu Machtstrukturen führt, die Scham, Schuld und Manipulation verbergen, oder einfach die Erforschung der menschlichen Erfahrung durch ein Medium, das alles banal oder erträglich macht". Große Fragen der Menschheit, des Menschseins, des Miteinanders werden verhandelt. Wegschauen ist keine Option!

Schirn, Frankfurt, bis 26. Mai, Di, Fr bis So von 10 bis 19 Uhr, Mi und Do von 10 bis 22 Uhr. Weitere Informationen unter www.schirn.de.
 

Katrin Fehr