Berlin
Mit Getöse zum Koalitionsgipfel

Nach scharfen Wortwechseln im Vorfeld beraten die Spitzen von Union und SPD über strittige Themen

26.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:22 Uhr

Berlin (DK) Der CSU-Chef ließ mächtig Dampf ab. Horst Seehofer attackierte den Koalitionspartner, griff die Familienministerin an und drohte: „Wenn die SPD jetzt mit allen Tricks unsere Projekte bekämpft, ist das eine schwere Belastung für die Koalition“. Der bayerische Ministerpräsident polterte schon los, bevor die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD gestern Abend im Kanzleramt zum Koalitionsgipfel zusammenkamen. Die schwarz-roten Bündnispartner ringen um Reformen und Milliarden, feilschen wie auf dem Basar.

Am Abend rollen die dunklen Limousinen durch das Tor des Kanzleramtes. Die Erwartungen sind hoch, die Tagesordnung ist lang. Teilnehmer rechneten mit einer langen Nacht. Und CSU-Chef Seehofer setzt den Sozialdemokraten die Pistole auf die Brust: Zieht die SPD nicht mit bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlages, werde man dies 2017 zum Wahlkampfthema machen. Die Union pocht auf die „größte Steuersenkung aller Zeiten“ mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro, wie Seehofer den Soli-Abbau nach 2019 nennt. Auch Angela Merkel will den Soli auslaufen lassen. Die SPD möchte dagegen auf die Milliardeneinnahmen nicht verzichten und den Soli lieber ab 2020 in die Einkommenssteuer übernehmen. Dafür hatte sich ursprünglich auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgesprochen. Beim Tagesordnungspunkt „Bund/Länder-Finanzbeziehungen“ gibt es jede Menge Konfliktpotenzial.

Ein besonderes Ärgernis für die CSU und ihren Chef scheint Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) zu sein, die aus ihrer Ablehnung des von der CSU durchgesetzten Betreuungsgeldes keinen Hehl macht. Und schon mal laut über die Verwendung der dafür vorgesehenen Finanzmittel nachdenkt, sollte das Bundesverfassungsgericht die Leistung kippen. Schon jetzt plane die SPD-Frau, fürs Betreuungsgeld vorgesehene Gelder zur Entlastung von Alleinerziehenden auszugeben. „Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme für eine Koalition, die noch zweieinhalb Jahre miteinander arbeiten muss“, wetterte Seehofer im Vorfeld. Nicht nur beim Betreuungsgeld hängt der schwarz-rote Haussegen schief.

Streit droht auch beim Thema Mindestlohn: Vizekanzler Sigmar Gabriel und Arbeitsministerin Andrea Nahles hatten bereits in der vergangenen Woche Korrekturen am Gesetz abgelehnt. Einen von der Union geforderten „Mindestlohn light“ werde es mit der SPD nicht geben, zeigte sich SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kämpferisch. CDU und CSU fordern dagegen eine grundlegende Änderung bei den Dokumentationspflichten, die zu viel Bürokratie bedeuteten. „Wir werden an dem Gesetz überhaupt nichts ändern“, stellt Gabriel bereits vor Beginn der Beratungen klar. CSU-Chef Seehofer entwickle sich immer mehr zu einem „Problem für Angela Merkel“, stichelt der Vizekanzler gegen den Chef des kleinen Koalitionspartners. Die sei dagegen „der stabile Faktor“ in der Koalition.

Plötzlich steht auch der BND-Skandal auf der Tagesordnung. „Hier muss es Aufklärung geben“, fordert Gabriel, spricht von einer „völlig neuen Qualität“ und der Frage, ob der Bundesnachrichtendienst ein Eigenleben führe.

Streit droht schließlich auch beim Thema Energie: Unionspolitiker laufen Sturm gegen Gabriels geplante Abgabe für alte Kohlekraftwerke, die zur Erreichung des Klimaschutzziels, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, dienen soll. Tausende Kumpel hatten am Samstag dagegen vor dem Kanzleramt demonstriert.

Einig ist man sich bei Union und SPD zwar, dass mehr zur Rettung von Flüchtlingen getan werden muss. Wie die Flüchtlings- und Asylpolitik künftig konkret aussehen soll, auch darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD auseinander.