Pfaffenhofen
Kinder an die Macht

23.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:29 Uhr

Das druckfrische Spielgeld von Hallertown präsentiert Projektleiterin Karin Pröbstl. Bei der Summe hat sie gut lachen: Sechs Haller werden die Kinder in der Spielstadt pro Stunde verdienen. Für ihr Geld können sie dann Handwerksmaterialien, Eis und Kinokarten kaufen oder sich sogar ein kleines Eigenheim bauen lassen - Foto: Kraus

Pfaffenhofen (DK) Damit die Kinderspielstadt Hallertown in einer Woche zum fünften Mal ihre Pforten öffnen kann, laufen derzeit intensiv die Vorbereitungsarbeiten.

Ab 30. August ist der Scheyerer Prielhof dann fest in Kinderhand. „Hallertown ist eine Stadt für Kinder, die von den Kindern selbst verwaltet und betrieben wird“, erklärt Karin Pröbstl, Projektleiterin des Kreisjugendrings (KJR), das Konzept. „Die Kinder leben und arbeiten in ihrer eigenen Stadt.“ Diese bietet in und um den Prielhof fast alles, was zu einer richtigen Stadt gehört: Restaurants, Kino, Tageszeitung, Handwerksbetriebe, Arbeitsamt und sogar ein Rathaus samt Bürgermeister und Stadtrat.

Damit diese Strukturen funktionieren, müssen die Kinder auch arbeiten und Berufe ausüben. Möglich ist dabei „alles, was es in einer wirklichen Stadt auch gibt“, sagt Pröbstl – vom Müllmann, der Hallertown sauber hält, über Köche und Polizisten bis hin zu Universitätsdozenten – oder aber auch Bettler, wenn ein Kind das will.

Dabei entsteht ein eigener Wirtschaftskreislauf. Die Kinder in der Schreinerei verdienen ihr Spielgeld, indem sie etwa einen Tisch bauen, den die Kinder vom Restaurant bestellt haben – wobei an der Werkbank erwachsene Betreuer bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit am Ende Erfolg statt Frust steht.

Die Berufe können natürlich gewechselt werden, um in verschiedenste Sparten hineinzuschnuppern. Wer nichts Passendes findet, bekommt vom Arbeitsamt den passenden Job vermittelt. Und wer nach einem Sanitätskurs dann als Feuerwehrmann oder -frau arbeitet, verdient sein Spielgeld bei Feuerwehrübungen oder wenn ein Haus in Hallertown – meist Zelte, Spielhütten, Marktbuden oder die Räume des Prielhofs – in Flammen aufgeht. Richtig ernst ist ein solcher Ernstfall freilich nicht, weil die Feuerwehr mit ihrem Spritzenwagen nur gegen eine Nebelmaschine zu kämpfen hat.

Die beiden gewählten Bürgermeister verdienen ihr Geld – die sogenannten Haller – durch Verwaltungsarbeit: Besucher wollen abgefertigt und die tägliche Bürgerversammlung abgehalten werden. Dort können die Kinder dann Spielregeln ändern – oder erreichen, dass die Hüpfburg im Vergnügungspark weniger Haller kosten soll.

Denn ihr erspartes Spielgeld können die Kinder natürlich wieder ausgeben: für Essen und Trinken, Handwerksmaterialien oder einen Kinobesuch. Mit genügend Startkapital und einer guten Idee können sich Gewiefte auch selbstständig machen. Und wer Vollbürger ist, also schon mindestens vier Stunden gearbeitet, zwei Stunden studiert und einen Kurs absolviert hat, kann sich vom Ersparten oder einem Haller-Kredit ein kleines Baugrundstück kaufen und als Häuslebauer vom Zimmermann eine Spielhütte errichten lassen. „Die Nachfrage bestimmt den Preis“, erklärt Pädagogin Pröbstl. Und der Fantasie der Kinder sind kaum Grenzen gesetzt. So hat es in den Vorjahren auch schon eine Demonstration gegen Wucher bei den Eispreisen gegeben.

Die Kinder sollen mit den gebotenen Möglichkeiten wie dem Stadtrat alles untereinander regeln. „Das funktioniert immer“, betont Pröbstl. Muss es auch, denn neben den geschulten Betreuern haben Erwachsene außerhalb der „Elternführungen“ keinen Zutritt zur Spielstadt.

Hallertown soll nicht nur Spaß machen: „Der pädagogische Lerneffekt der Spielstadt ist enorm“, versichert Pröbstl. Die Kinder könnten viel über Sozialstrukturen, die Berufswelt und Verwaltung lernen.

Hunderte Kinder und bis zu 150 Betreuer bevölkern Hallertown vom 30. August bis 8. September. Dabei hat die KJR-Spielstadt 2003 recht klein am Alten Campingplatz in Pfaffenhofen angefangen, Pate stand die Spielstadt Mini-München, dem „Vorreiter aller Kinderspielstädte“, erklärt Pröbstl. Doch Hallertown braucht sich nicht verstecken. „Wir steigern uns von Jahr zu Jahr“, sagt die Projektleiterin. Alle zwei Jahre findet Hallertown statt, heuer zum fünften Mal und mit viel Routine. Die Vorarbeiten von haupt- und ehrenamtlichen Helfern laufen trotzdem schon seit Monaten, derzeit werden etwa die Drucksachen erledigt: Spielgeld, Bürgerausweise, Formulare fürs Arbeitsamt und und und. Der Aufbau bei Scheyern beginnt am Freitag, damit die Mitarbeiter und Betreuer am Sonntag die Arbeitsstätten einrichten können. Am Dienstag startet Hallertown dann für die ersten angemeldeten Kinder.