Neuburg
Mit dem Stapler die Integration stemmen

Flüchtlinge an der Berufsschule erhoffen sich mit dem Schein bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt

20.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Foto: - -Kein Honorar

Neuburg (DK) Praktische Prüfung auf dem Schulparkplatz: Fünf Flüchtlinge, die derzeit eine der berufsintegrierenden Klassen (BIJ) an der Berufsschule Neuburg besuchen, durften jetzt einen Gabelstaplerführerschein machen. Dieser Schritt soll ihnen den Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern.

Noch wissen die jungen Männer nicht, ob sie die Prüfung bestanden haben. Ali Azizi, Mohammad Ibrahimi, Nooruz Khawari, Khadim Wade und Ribar Kheder sitzen an einem Tisch in der Schule und warten gebannt, bis Martina Koch ihnen die Ergebnisse verrät. Stellvertretend für die Firma Koch Gabelstapler in Neuburg-Zell hat sie die theoretische und die praktische Prüfung abgenommen. „Alle haben es geschafft“, rutscht es ihr endlich heraus, und die Schüler lachen befreit. Ganz sicher waren sie sich scheinbar dann doch nicht.

Ganz sicher war sich auch Markus Baar nicht. Er ist der Fachbetreuer der BIJ-Klassen. „Da geht es ja um einen spezifischen Wortschatz“, sagt er. „Das war das Ungewisse, ob sie die theoretische Prüfung schaffen.“ Schon die Vokabeln „vorwärts“ und „rückwärts“ hätten seine Schüler erst ganz neu lernen müssen.

Lernen ist der Sinn des Projekts, das mit Spendengeldern der Stiftergemeinschaft Zukunft Neuburg finanziert wurde. „Unser Ziel ist es, die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Ausbildungsreife zu erziehen“, erklärt Baar. Der Staplerschein sei der erste Schritt in einen handwerklichen Beruf. „Ein Zuckerl für die Bewerbung“, wie der stellvertretende Schulleiter, Franz Haltmayer, sagt. Aus finanziellen Gründen konnte nicht allen Flüchtlingen, die die Berufsschule besuchen, ein Staplerschein ermöglicht werden. Ali, Mohammad, Nooruz, Khadim und Ribar haben sich über einen Test qualifiziert.

Dementsprechend gut haben sich die Flüchtlinge aus dem Irak, dem Senegal und Afghanistan auf den dreitägigen Kurs vorbereitet. „Es hat Spaß gemacht, aber es war schwierig, weil ich noch keinen Führerschein habe“, erzählt Nooruz in ziemlich gutem Deutsch. „Aber man muss einfach langsam anfangen.“ Über die Osterferien haben die jungen Männer mit einem Buch für Gabelstapler gelernt, ehe es in dieser Woche ernst wurde: Martina Koch zeigte ihnen den Umgang mit dem Fahrzeug, bevor am Dienstag die praktische und gestern die theoretische Prüfung angesetzt waren. Sieben Stunden lang hat die kleine Gruppe auf dem Parkplatz der Schule mit dem Stapler geübt. Auf dem Programm standen ein Übungsparcours, das Errichten von Palettenstapeln sowie eine Abfahrtskontrolle. „All das, was ein Staplerfahrer halt so macht“, erklärt Koch. „Als ich gesehen habe, dass sie zurechtkommen, habe ich die Prüfung abgenommen – ohne dass sie es gemerkt haben.“

Und das mit Erfolg. Trotzdem hat Koch noch einige Ratschläge, als sie die Urkunden zur bestandenen Prüfung überreicht: „Langsam fahren!“ oder „Mit Gefühl!“ lauten ihre Tipps. „Es hat sich bewährt, und wir werden das Projekt in Zukunft mit anderen BIJ-Schülern fortsetzen“, sagt Haltmayer.

Die BIJ-Klassen gibt es bereits im zweiten Jahr, heuer mit drei zehnten und zwei elften Klassen. Für das kommende Schuljahr sind sogar vier zehnte Klassen vorgesehen. „Weil so viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen“, sagt Haltmayer. Der Unterricht sei eine Herausforderung für die Lehrer, weil vom Analphabeten bis zum Abiturienten jeder Lerntyp dabei sei. An der Berufsschule aufgenommen werden alle Flüchtlinge zwischen 16 und 23 Jahren, um den deutschen Hauptschulabschluss erreichen zu können. Auf dem Stundenplan stehen dabei nicht nur Fächer wie Deutsch und Ethik. Künftig sollen sie auch dabei unterstützt werden, wenn es darum geht, einen Miet- oder Kaufvertrag zu unterschreiben.

Für die ausländischen Schüler ist die Situation alles andere als einfach. Einer der jungen Männer erzählt, er habe im Senegal sein Abitur gemacht und drei Jahre als Schreiner gearbeitet. Hier in Deutschland scheint seine Erfahrung kaum zu zählen. „Es ist schwierig“, erklärt Baar. Viele Betriebe hätten Bedenken, dass die Flüchtlinge nach drei Monaten abgeschoben werden, und würden sie ungern einstellen. Es sei wünschenswert, ihnen zumindest während ihrer Ausbildungszeit einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewähren.

Diesen Wunsch hat auch einer der Staplerführerscheinneulinge. „Wozu soll ich wieder in den Irak? Für Krieg“, fragt er. „Nein, ich möchte lieber hier in Deutschland meine Ausbildung erhalten.“ Sein Betreuer kann dies nur unterstützen. „Wir appellieren an den Mut der Betriebe, sich darauf einzulassen“, betont Baar. Und falls eine Abschiebung unausweichlich sei: „Wir können ihnen hier eine Basis für zu Hause schaffen“, ergänzt Haltmayer. „Eine Ausbildung ist immer gut.“